Rz. 6
§ 35b regelt in drei Sätzen Inhalt und Umfang der Geltung einer im Rahmen der §§ 22a bis 22c SGB II erlassenen Satzung für den Bereich des SGB XII. Dabei sehen § 22 a Abs. 1 und Abs. 2 SGB II die Möglichkeit vor, landesrechtliche Satzungsermächtigungen einerseits für die Bestimmung der Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Abs. 1) sowie andererseits für die Bestimmung von monatlichen Pauschalen für den Unterkunfts- bzw. Heizungsbedarf (Abs. 2) zu erlassen. § 22a Abs. 3 SGB II trifft einzelne Regelungen dazu, an welchem Maßstab sich die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung orientieren soll. Darüber hinausgehend machen die §§ 22 b und c SGB II noch weitergehende bundesrechtliche Vorgaben dafür, welchen Inhalt die Satzungen im Einzelnen haben müssen bzw. sollen (§ 22b SGB II), welche Daten hierfür erhoben bzw. ausgewertet werden können und in welchem Rhythmus die in der Satzung festgelegten Werte zu überprüfen sind (§ 22c SGB II).
Rz. 7
Die (gerichtliche) Kontrolle der Satzungsbestimmungen ist auf zwei Wegen denkbar (vgl. hierzu im Einzelnen Bätge, Sozialrecht aktuell 2011, 131, 136). Zum einen ist wie bisher im Rahmen eines Höhenstreits (über die Kosten der Unterkunft und Heizung) vom Sozialgericht inzident zu überprüfen, ob die Höhe der Kosten durch die Satzung wirksam festgesetzt bzw. beschränkt wurde. Zum anderen wurden die Vorschriften der §§ 22a bis 22c SGB II in prozessualer Hinsicht durch die Regelung des § 55a SGG flankiert, die sich an der Vorschrift des § 47 VwGO zur konkreten Normenkontrolle orientiert. Im Rahmen von § 55a SGG entscheiden die Landessozialgerichte in erstinstanzlicher Zuständigkeit (§ 29 Abs. 2 Nr. 4 SGG). Kommt das LSG zu der Überzeugung, dass die Satzung ungültig ist, erklärt es sie gemäß § 55a Abs. 5 SGG – mit Wirkung "inter omnes"(§ 55a Abs. 5 Satz 2 SGG) – für unwirksam. Ist die Satzung (noch) nicht für ungültig erklärt oder ist ein Normenkontrollverfahren nach § 55a SGG (noch) nicht anhängig, bleibt es weiter bei der Inzidentkontrolle durch die Sozialgerichte im Rahmen des Höhenstreits (zum Ganzen: Klerks, info also 2011, 195, 201; Mutschler, NZS 2011, 481, 485; Bätge, a. a. O., sowie BSG, Urteile v. 17.10.2013, B 14 AS 70/12 R Rz. 22 ff., und v. 4.6.2014, B 14 AS 53/13 R Rz. 19 ff.).
Rz. 8
Nach § 35b Satz 1 gilt eine nach den §§ 22a bis 22c SGB II erlassene und unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen unter Rz. 6 f. wirksame Satzung für Leistungen der Unterkunft nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 35a Abs. 2 entsprechend; dies allerdings nur dann, wenn in der Satzung nach § 22b Abs. 3 SGB II Sonderregelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung getroffen und dabei zusätzlich auch die Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden. Diese erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzu gekommene Einschränkung (vgl. Stölting, in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 35a Rz. 2) ist insoweit sinnvoll, als Personen, die Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII erhalten, häufig gesundheitlich eingeschränkt sind, woraus ein höherer Bedarf an Unterkunfts- bzw. Heizkosten resultieren kann (so auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/4095 S. 39, sowie BSG, Urteil v. 23.3.2010, B 8 SO 24/08 R Rz. 19/20). Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut können Satzungen, welche die genannten zusätzlichen Voraussetzungen nicht enthalten, nicht im SGB XII angewandt werden. Sie gelten daher auch nicht für solche Personen, die nicht zu dem in § 22b Abs. 3 SGB II genannten Personenkreis gehören.
Rz. 9
Problematisch ist bei den von Satz 1 letzter Halbsatz umfassten Personenkreisen ohnehin, dass die Bedarfslagen im jeweiligen Einzelfall ganz unterschiedlich ausfallen können und sich daher einer abstrakt-generellen Regelung durch Satzung weitestgehend entziehen (Groth, in: Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, Rz. 372). In der Literatur wurde es daher – im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung – für ausreichend gehalten, wenn die Satzung diesbezüglich eine Öffnungsklausel vorsah (Groth, a. a. O.). Eine solche Öffnungsklausel hätte jedoch wiederum zur Folge, dass die Satzung für den betreffenden Personenkreis nicht gilt, so dass sich die Bestimmung der Angemessenheit wie zuvor (individuell) nach § 35 richtet.
Das BSG (Urteil v. 17.10.2013, B 14 AS 70/12 R Rz. 34 ff.) hat insoweit klargestellt, dass die aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abzuleitenden Verfahrensanforderungen an die Konkretisierung des abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs durch untergesetzliche Normsetzung auch für Sonderregelungen für besondere Bedarfe nach § 22b Abs. 3 SGB II und ältere Menschen gelten. Damit ist den Satzungsgebern jede pauschalierende Regelung, die sich nicht nachvollziehbar an den Verhältnissen des jeweils örtlich maßgebenden Wohnungsmarktes (insbesondere in Bezug auf Größe, Ausstattung und Lage des benötigten Wohnraumes) zeit- und realitätsgerecht orie...