Rz. 3
Der in § 41 Abs. 1 Satz 1 enthaltene Grundsatz, dass eine Leistungsgewährung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII einen Antrag voraussetzt, wurde nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6284) aus systematischen Gründen in Abs. 1 des § 44 übernommen.
Rz. 4
Grundsicherungsleistungen werden nicht von Amts wegen (vgl. § 18 Abs. 1), sondern nur auf Antrag gewährt. Damit hat der Antrag materiell-rechtliche Wirkung, weil die Vorschrift ihn ausdrücklich zur Anspruchsvoraussetzung macht (Brühl/Schoch, LPK-SGB XII, § 41 Rz. 21). Antragsbefugt sind der mögliche Leistungsberechtigte und seine Vertreter (Betreuer, Bevollmächtigter, vgl. § 13 SGB X). Der Antrag ist beim Sozialhilfeträger (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SGB I) zu stellen. Grundsicherungsleistungen können formlos, d. h. mündlich (telefonisch), schriftlich oder konkludent beantragt werden (Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 41 Rz. 29; Kreiner, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 41 Rz. 17).
Um alle leistungsrelevanten Tatsachen zu erfassen, kann der Sozialhilfeträger das Ausfüllen eines Antragsformulars verlangen (§ 60 Abs. 2 SGB I). Da es sich bei der Grundsicherung um einen Individualanspruch handelt, muss jedes Mitglied einer Einstandsgemeinschaft (z. B. Ehepaar) einen eigenen Grundsicherungsantrag stellen (Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, § 41 Rz. 3).
Rz. 5
Alle Gemeinden und Behörden, die mit Angelegenheiten des Sozialgesetzbuchs betraut sind (insbesondere die Rentenversicherungsträger, § 46 Satz 3), nehmen Grundsicherungsanträge entgegen und leiten sie an den zuständigen Sozialhilfeträger weiter. Dasselbe gilt für die amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland (§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Der Antrag, der bei einem unzuständigen Sozialleistungsträger gestellt wird, hat fristwahrende Funktion (§ 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I). Dies ist wichtig, weil der Beginn der Grundsicherungsleistung vom Datum der Antragstellung abhängig ist (§ 44 Abs. 1 Satz 2).
Rz. 6
Hat ein Leistungsberechtigter von der Antragstellung abgesehen, weil er einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat, und ist ihm diese Leistung versagt worden oder muss er sie erstatten, so wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist (§ 28 Satz 1 SGB X). Dies gilt auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag aus Unkenntnis über dessen Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die Grundsicherungsleistung gegenüber der anderen Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre (§ 28 Satz 2 SGB X). Es handelt sich hierbei um die Sonderform einer auch materiell wirkenden "Wiedereinsetzung" in den vorigen Stand mit speziellen Voraussetzungen (Krause, GK-SGB X, § 28 Rz. 4). Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Rückwirkung einer (wiederholten) Antragstellung, bewirkt jedoch nicht die Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. BSG, Urteil v. 19.3.1986, 7 RAr 17/84; v. Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 28 Rz. 3). Der Berechtigte wird nur so gestellt, als habe er die erforderliche Handlung – hier den Antrag auf Grundsicherungsleistungen – zu einem früheren Zeitpunkt vorgenommen (Krause, a. a. O.).
Rz. 7
§ 109a Abs. 1 SGB VI sieht ausdrücklich eine Beratungspflicht des Rentenversicherungsträgers vor. Für Empfänger von Arbeitslosengeld II enthält § 44a Abs. 1 Satz 7 eine Nahtlosigkeitsregelung. Im Übrigen kommt eine Rückwirkung nach Maßgabe von § 38 SGB I oder bei Vorliegen eines Beratungsmangels ein Herstellungsanspruch in Betracht. Nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts ist ein Folgeantrag nicht erforderlich. Dies hat das BSG entschieden (Urteil v. 29.9.2009, B 8 SO 13/08 R).
Rz. 8
Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 sind Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nr. 2 für einmalige Bedarfe (§ 31), für Bedarfe für eine angemessene Alterssicherung (§ 33) sowie für die Bedarfe nach § 42 Nr. 3 i. V. m. § 34 Abs. 5 und § 42 Nr. 5, dies sind die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie für ergänzende Darlehen nach § 37, gesondert zu beantragen. Das Erfordernis eines gesonderten Antrags ist durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2557) mit Wirkung zum 1.1.2016 neu eingeführt worden.
Durch Art. 4 des Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlages und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke-Familien Gesetz – StaFamG) v. 29.4.2019 (BGBl. I S. 530) ist das Antragserfordernis für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 42 Nr. 3 dahingehend geändert worden, dass eine gesonderte Antragstellung nur noch bei Bedarfen nach § 34 Abs. 5 (Nachhilfe) gefordert wird. Die Änderung trat zum 1.8.2019 in Kraft.