Rz. 44

Zunächst sind zur Abgrenzung die Spezialregelungen in § 47, §§ 51 und 52 Abs. 4 sowie dem SchwHG (vgl. dazu Komm. zu § 51 Rz. 11) zu beachten. Hier bleibt es bei dem bisherigen System einer formalen Abkopplung vom versicherungsrechtlichen Modell des SGB V (so auch Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, 34. Erg.-Lfg. I/14, § 48 Rz. 13 m. w. N.).

 

Rz. 45

Im Einzelfall ist immer entscheidend, welche Zielrichtung eine bestimmte Maßnahme hat bzw. wie sich die jeweiligen medizinischen Umstände konkret darstellen (vgl. BSG, Urteile v. 19.5.2009, B 8 SO 32/07 R Rz. 17, und v. 29.10.2008, B 8 SO 23/07 Rz. 35 – mit Blick auf die Abgrenzung zwischen Leistungen wegen Krankeheit und Eingliederungshilfe). Werden mehrere Ziele verfolgt, ist danach zu unterscheiden, welches Ziel im Vordergrund steht. Grundsätzlich kann im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Hilfen bei Krankheit und Leistungen der Eingliederungshilfe gesagt werden, dass die Eingliederungshilfe als speziellere Hilfe innerhalb des SGB XII vorgeht (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.4.2007, L 9 SO 5/06 Rz. 19 f.). Wenn eine Behinderung i. S. v. § 53 Abs. 1 vorliegt, sind also Leistungen der Eingliederungshilfe einschlägig, es sei denn es geht um die konkrete Krankenbehandlung (vgl. dazu auch H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 48 Rz. 57; Schlette, a. a. O., Rz. 16; Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 48 Rz. 16).

 

Rz. 46

Die genannten Probleme tauchen insbesondere bei der Behandlung von HIV-Infektionen auf (vgl. H. Schellhorn, a. a. O.). In dieser Hinsicht dürfte es sachgerecht sein, danach zu unterscheiden, ob eine HIV-Infektion zwar vorliegt, aber die Erkrankung noch nicht ausgebrochen ist (dann vorbeugende Maßnahme nach § 47, vgl. die dortige Komm.). Nach Ausbruch der Krankheit ist grundsätzlich Hilfe bei Krankheit zu gewähren, es sei denn, die Behandlungsmöglichkeiten sind erschöpft, dann kommen Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht.

 

Rz. 47

Auch die Abgrenzung zu den Leistungen nach dem Siebten Kapitel (§§ 61 ff., Hilfe zur Pflege) erfolgt im Grundsatz nach der Zielrichtung der Maßnahmen. Hilfen bei Krankheit sind solche, die auf die Heilung, Besserung oder Linderung einer Krankheit gerichtet sind, wohingegen bei Leistungen der Hilfe zur Pflege die Pflegebedürftigkeit bzw. die ihr zugrunde liegenden Fähigkeitseinschränkungen als gegeben angesehen werden (so etwa H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 61 Rz. 75; ähnlich Flint, a. a. O., Rz. 17). Daran hat sich auch durch die Änderung des Pflegebegriffs zum 1.1.2017 nichts geändert. Vgl. im Übrigen auch die Konkurrenzregel in § 63b Abs. 1, die etwa greifen kann, wenn häusliche Krankenpflege gewährt wird (Meßling, in: jurisPK-SGB XII, Stand: 24.1.2018, § 63b Rz. 19). Die Abgrenzung zur häuslichen Krankenpflege bleibt aber problematisch (vgl. H. Schellhorn, a. a. O., Rz. 76 ff. sowie § 62 Satz 1 i.V.m § 15 Abs. 5 SGB XI).

 

Rz. 48

Der Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation ist in § 51 spezialgesetzlich geregelt (vgl. die dortige Komm.) und geht den Leistungen der Hilfe bei Krankheit daher vor. Inhaltlich erfasst § 51 Maßnahmen zur Kastration nicht. Sofern sich eine Kastration als Krankenbehandlung darstellt, kommen dafür Leistungen nach § 48 in Frage.

 

Rz. 49

Die Abgrenzung zu Leistungen der vorbeugenden Gesundheitshilfe nach § 47 erfolgt nach den Grundsätzen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung gelten (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 1.10.1993, 6 S 2388/92). Abzustellen ist also auf die unterschiedlichen Zielsetzungen insbesondere des § 23 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V (vgl. auch die dortige Komm.).

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