Rz. 6
Es wäre nicht im Sinne der hilfesuchenden Menschen, wenn eine Vielzahl von unkoordiniert nebeneinander tätigen Organisationen versuchen würde, ihnen in sehr unterschiedlichen Problemlagen zu helfen. Gerade weil den Sozialhilfeträgern bei der Erbringung solcher Leistungen, die im SGB XII zusammengefasst sind, die Letztverantwortung zugewiesen worden ist, ist es ihre Verpflichtung, mit den subsidiär und aus eigenem Auftrag heraus tätigen Kirchen und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zusammenzuarbeiten.
Der Gesetzgeber stellt klar, dass es einen Sozialhilfeträger zu interessieren hat, welche Organisationen in seinem Zuständigkeitsbereich arbeiten und wie sie Leistungen erbringen, die im weitesten Sinne den Aufgaben nach dem SGB XII zugeordnet werden können (z. B. Pflege von alten und kranken Menschen, Hilfe für Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen, Arbeit mit Wohnungslosen). Zu diesen Organisationen muss der Sozialhilfeträger Kontakt halten und sie auch einbinden; etwa in Arbeitsgemeinschaften gemäß § 4 Abs. 2 (Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 5 Rz. 7; Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 5 Rz. 15). Die Zusammenarbeit soll vom Grundsatz des gegenseitigen Respekts gekennzeichnet sein (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 12).
Dem Sozialhilfeträger kommt kein Recht i. S. eines unmittelbaren Aufsichtsrechts über die Verbände der freien Wohlfahrtspflege zu (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 10). Zur Wahrung der inhaltlichen Selbstständigkeit der Verbände vgl. Schlegel/Voelzke, a. a. O., § 5 Rz. 33; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 5 Rz. 13).
Die Beteiligung freier Wohlfahrtspflegeträger an der Erbringung von Aufgaben der Sozialhilfe nach SGB XII ist im Übrigen auch kein Fall der Amtshilfe. Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege sind auch keine Behörden i. S. d. § 1 Abs. 2, § 3 SGB X (Linhart/Adolph, a. a. O. § 5 Rz. 12).
Gerade die letzten, zuvor benannten Gesichtspunkte sind in der Praxis scheinbar nicht immer klar, wenn man teilweise beobachten kann, wie Sozialhilfeträger versuchen, Einfluss auf die Organisationsstruktur und Leistungserbringung freier Träger zu nehmen (etwa durch Versuche, in vertraglichen Vereinbarungen sich das Recht auf die Mitauswahl von Personaleinstellung bei den freien Trägern einräumen zu lassen). Der in § 5 geregelte Grundsatz ist insoweit auch bestimmend für die Ausgestaltung von Vereinbarungen gemäß § 75ff. SGB XII. Deren Inhalte dürfen diese Grundsätze nicht außer Acht lassen – und freie Träger sind gut beraten, ihre Freiheitsrechte nachhaltig zu sichern.
Rz. 7
Für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege besteht im Übrigen aber umgekehrt keine entsprechende Zusammenarbeitsverpflichtung. Sie können ihre ganz eigenen Wege gehen – natürlich immer nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen, z. B. des WBVG im Bereich der Betreuung alter Menschen (Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 5 Rz. 18). Allerdings müssen die Träger dann im Blick behalten, dass sie keinerlei Forderungen gegenüber den Sozialhilfeträgern etwa auf finanzielle Unterstützung erheben können.
Rz. 8
Wenn der Sozialhilfeträger die Zusammenarbeit sucht (und findet), dann wird für diesen Fall in Abs. 2 Satz 2 klar herausgestellt, dass der Sozialhilfeträger die Selbstständigkeit der Verbände sowohl hinsichtlich der Zielsetzung als auch bezüglich der Durchführung zu achten hat – Gebot des gegenseitigen Respekts (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 12). Wenn christliche Verbände der freien Wohlfahrtspflege ihre Arbeit unter dem Blickwinkel der Nachfolge Jesu Christi tun, dann ist dies ihr gutes Recht und darf nicht vom Sozialhilfeträger als Grund dafür benutzt werden, die (gewünschte) Zusammenarbeit zu beenden oder gar nicht erst aufzunehmen.
Wenn Verbände der Ansicht sind, sie könnten die von ihnen verfolgten Ziele am besten in der Organisationsform eines eingetragenen Vereins (e. V.) unter Einbindung von ehrenamtlichen Kräften erreichen, dann ist dies deren ureigenste Entscheidung, die der Sozialhilfeträger zu respektieren hat. Weder die Vorgabe einer anderen Rechtsform (GmbH) noch der Zwang zu einer rein hauptamtlich ausgerichteten Struktur dürfen vom Sozialhilfeträger ausgeübt werden.
Der Sozialhilfeträger hat die Zusammenarbeit in und mit den Strukturen zu suchen, wie sie ihm in den Reihen der freien Wohlfahrtspflege begegnen; es sei denn, diese stünden nicht mit den Vorgaben der Verfassung oder anderen gesetzlichen Regelungen in Einklang (Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 5 Rz. 22; Münder, a. a. O., § 5 Rz. 23, 24).
Rz. 9
Der Gesetzgeber hat dem Sozialhilfeträger – aber auch den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und privatgewerblichen Anbietern von Leistungen – allerdings durch die Regelungen der §§ 75ff. Vorgaben gemacht, wie im konkreten Fall die Zusammenarbeit bei der Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII auszugestalten ist (Abschluss von Vereinbarungen, die bestimmte Mindestinhalte aufweisen müssen); vgl. auch Schlegel/Voelzke, a. a. O., § 5 Rz. 40 ff. Durch diese gesetzlichen Regelung...