Rz. 5
Auszugehen ist vom Begriff der ehrenamtlichen Pflegeperson i. S. d. § 19 Satz 1 SGB XI. Der Begriff der ‹nahestehenden Person› ist daher nicht eng auszulegen und umfasst neben Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten auch Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften, Freunde und sonstige ehrenamtliche Helfer (Gutzler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, § 3 Rz. 13 m. w. N.). Auf ein etwaiges Verwandtschaftsverhältnis kommt es nicht an. Die Vermutungsregel des § 39 Satz 1 greift jedoch (unabhängig von der Zweifelsfrage ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung) schon dem Wortlaut des § 39 Satz 3 Nr. 2 nach nicht ein. Deswegen darf eine pflegerische Bedarfsdeckung durch etwaige Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft nicht vermutet werden. Sie ist vielmehr im Einzelfall positiv festzustellen, so dass die materielle Beweislast hierfür beim Träger der Sozialhilfe liegt.
Rz. 6
Im Übrigen kommt dem Sozialhilfeträger im Rahmen seiner Hinwirkungspflicht auch eine Pflicht zur Beratung i. S. d. § 10 Abs. 2 zu (vgl. dazu zum alten Recht Krahmer/Sommer, Sozialgesetzbuch XII – Sozialhilfe, Lehr- und Praxiskommentar, § 63 Rz. 4). Nach der zum bis zum 31.12.2016 geltenden Recht ergangenen Rechtsprechung des BSG ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz eine vorrangige Verpflichtung des Sozialhilfeträgers enthält, in Fallgestaltungen, in denen die (einfache) häusliche Pflege nach den Umständen des Einzelfalls ausreicht, (zunächst) selbst im Sinne einer Dienstleistung darauf hinzuwirken, dass eine unentgeltliche Pflege mit Ersatz der Aufwendungen tatsächlich durchgeführt werden kann. Der Träger der Sozialhilfe soll also Maßnahmen der ambulanten Pflege nach Kräften fördern und Möglichkeiten häuslicher sowie ambulanter Pflege und Betreuung im Interesse des zu Pflegenden schaffen bzw. erhalten (vgl. BSG, Urteil v. 26.8.2008, B 8/9b SO 18/07 R m. w. N.). Gleichzeitig besteht jedoch keine Verpflichtung Angehöriger, die Pflege durchzuführen, weshalb § 64 insofern nur einen moralischen Appell beinhaltet (Kaiser, in: BeckOK SGB XII, § 64 Rz. 2).
Rz. 7
§ 64f Abs. 2 bestimmt zudem, dass die angemessenen Kosten durch den Sozialhilfeträger zu übernehmen sind, soweit neben der häuslichen Pflege nach § 64 eine Beratung der Pflegeperson geboten ist.
Rz. 8
Auch unter Nachbarschaftshilfe ist die ehrenamtliche nicht sozialversicherungspflichtige Pflege i. S. d. § 19 Satz 1 SGB XI zu verstehen. Sie ist der Hilfe durch nahestehende Personen gleichgestellt. Keine Übernahme der Pflege i. S. d. § 64 liegt i. d. R. dann vor, wenn Haushalts- oder Pflegetätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Die Zahlung eines regelmäßigen Entgelts steht der Stellung als ehrenamtliche Pflegeperson freilich so lange nicht entgegen, wie dieses das Pflegegeld im Umfang nicht übersteigt (§ 3 Abs. 2 SGB VI; Udsching, SGB XI, § 19 Rz. 5; vgl. auch Roller, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, § 19 Rz. 15).