0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die ab dem 1.1.2005 gültige Vorschrift in der Fassung vom 27.12.2003 wurde durch Art. 2 Nr. 5 des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) mit Wirkung zum 1.1.2017 geändert.
Regelte die Vorschrift bis zum 31.12.2016 noch die Leistungskonkurrenz, trifft sie seit dem 1.1.2017 Bestimmungen zum Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1. Inhaltlich wurde die Vorschrift damit vollkommen geändert, eine Vorgängervorschrift zum jetzigen § 66 existierte im SGB XII nicht.
1 Allgemeines
Rz. 2
Hintergrund der Norm ist, dass Leistungen nach dem 7. Kapitel wie die Leistungen der Pflegeversicherung (vgl. § 28a SGB XI) grundsätzlich (erst) bei Vorliegen der Pflegegrade 2 bis 5 gewährt werden. Dies bringt § 63 zum Ausdruck, nach dessen Abs. 1 für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 deutlich mehr Leistungen erbracht werden, als nach dessen Abs. 2 für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1. Die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und Fähigkeiten i. S. d. § 61a sind bei Pflegegrad 1 gering ausgeprägt und liegen vorrangig im somatischen Bereich. Dennoch haben sowohl der Beirat 2009 als auch der Expertenbeirat (vgl. hierzu auch die Komm. zu § 61) – wenn auch nach intensiver Diskussion – empfohlen, den Pflegegrad 1 zum Zweck der Erhaltung und Wiederherstellung der Selbstständigkeit und der Vermeidung schwererer Pflegebedürftigkeit leistungsrechtlich zu hinterlegen. Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige mit Pflegrad 1 neben Pflegehilfsmitteln gemäß § 64d und Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds gemäß § 64e den Entlastungsbetrag gemäß § 66. Ziel ist es, den Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 möglichst lange ein Verbleiben im eigenen Haushalt zu ermöglichen. Ihnen wird vor diesem Hintergrund ein Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125,00 EUR monatlich gewährt.
Durch § 66 sorgt der Gesetzgeber dafür, dass auch an dieser Stelle nichtversicherte Pflegebedürftige die gleichen Leistungen erhalten, wie in der sozialen Pflegeversicherung versicherte Pflegebedürftige.
Der Entlastungsbeitrag für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2 bis 5 ist in § 64i geregelt.
2 Rechtspraxis
2.1 Höhe des Entlastungsbetrags
Rz. 3
Der Entlastungsbetrag ist keine vom Sozialhilfeträger zu zahlende Pauschale. Vielmehr wird er nur für nachgewiesene, dem in Satz 2 geregelten Leistungszweck entsprechende Aufwendungen bewilligt. Er beträgt auch nicht in jedem Fall 125,00 EUR – maßgeblich ist die tatsächlich beanspruchte Entlastung, die nachzuweisen ist.
2.2 Zweckbindung und Nachweis
Rz. 4
Nach § 66 Satz 2 ist der Entlastungsbeitrag zweckgebunden einzusetzen. Gemäß den dortigen Nr. 1 bis 4 ist er zu verwenden für
- die Entlastung pflegender Angehöriger oder nahestehender Pflegepersonen,
- die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags,
- die Inanspruchnahme von
- Leistungen der häuslichen Pflegehilfe i. S. d. § 64b,
- Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e,
- anderen Leistungen nach § 64f,
- Leistungen zur teilstationären Pflege i. S. d. § 64g und
4. die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten i. S. d. § 45a SGB XI.
Auf die in Abs. 2 Nr. 3 geregelten Leistungen selbst haben Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 gemäß § 63 Abs. 2 keinen Anspruch. Die Aufzählung in Satz 2 ist abschließend. Der zweckgebundene Einsatz des Entlastungsbetrags ist nachzuweisen. Dies kann durch Vorlage von aussagekräftigen Quittungen oder Rechnungen geschehen. Wurde der Nachweis erbracht, kann der Sozialhilfeträger den Entlastungsbetrag in entsprechender Höhe auch im Voraus für den jeweiligen Monat gewähren, da es der pflegebedürftigen Person häufig nicht möglich sein dürfte, in Vorleistung zu treten.
2.3 Entlastungsbetrag nach dem SGB XI
Rz. 5
Auch im Recht der sozialen Pflegeversicherung ist ein Entlastungsbetrag vorgesehen. Dieser ist in § 45b SGB XI geregelt. Dort hat der Gesetzgeber allerdings – anders als im SGB XII – innerhalb einer Vorschrift den Entlastungsbetrag für alle Pflegegrade geregelt und nur innerhalb der Norm Einschränkungen gemacht.
Eine dem § 45b Abs. 2 Satz 3 SGB XI entsprechende Regelung kennt das 7. Kapitel nicht; der Entlastungsbetrag kann daher nicht aufgespart werden.
Wird ein Entlastungsbeitrag nach § 45b SGB XI von der Pflegekasse gewährt, geht dieser dem Entlastungsbetrag nach § 66 gemäß § 63b Abs. 2 Satz 2 vor.
3 Literatur
Rz. 6
Nakielski/Winkel, Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und die Folgen: Wie jetzt Pflegebedürftigkeit festgestellt und die Höhe des Pflegebedarfs ermittelt wird, SoSi 2017 S. 9.