Rz. 3
Aus der Formulierung ("soll") ist zu schließen, dass es sich um eine Ermessensleistung handelt, auf die zwar kein Rechtsanspruch besteht, die jedoch vorbehaltlich des Eingreifens atypischer Umstände und des Vorrangs speziell geregelter Hilfen zu gewähren ist, wenn die subjektiven und objektiven Tatbestandsvoraussetzungen (Hilfebedarf eines alten Menschen i. S. der Vorschrift, geeignete und erforderliche Hilfeform) vorliegen (so auch: Meusinger, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII-Kommentar, 4. Aufl. 2009, § 71 Rz. 14).
Rz. 4
Die Vorschrift regelt Leistungen für "alte Menschen", ohne zu definieren, ab welchem Lebensalter die Hilfe einsetzt. Vielfach wird hierbei zur Vereinheitlichung auf die in § 30 Abs. 1 und § 41 Abs. 2 verwendeten Begrifflichkeiten abgestellt. Leistungsberechtigt ist danach derjenige, der zumindest die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht hat. Eine starre Altersgrenze begegnet jedoch Bedenken, denn altersbedingte Schwierigkeiten können auch schon in früheren Lebensjahren auftreten, insbesondere wenn erschwerend eine Erkrankung oder Behinderung hinzukommt (ebenso: Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII-Kommentar, 4. Aufl. 2012, § 71 Rz. 6). Letztlich ist die exakte Festlegung einer Altersgrenze im Hinblick auf Abs. 3 der Regelung nicht erforderlich, denn danach soll Altenhilfe auch zur Vorbereitung auf das Alter erbracht werden. Entscheidend ist daher eine Einzelfallbetrachtung. Hierbei ist der jeweilige Hilfebedarf zu ermitteln, der jedoch altersbedingt sein muss.
Rz. 5
Weitere Voraussetzung ist, dass der konkrete Hilfebedarf, um dessen Gewährung es geht, kausal auf dem Eintritt des Alters bzw. der mit diesem typischerweise einhergehenden Schwierigkeiten beruht. Sonstige Bedarfslagen – seien sie gesundheitlicher, sozialer oder finanzieller Art – sind nicht von der Altenhilfe erfasst, sondern ggf. unter die jeweiligen speziellen Normen der Gesundheits-, Eingliederungs- oder der Hilfe zum Lebensunterhalt zu subsumieren. Soweit indes gerade das Alter einen besonderen Bedarf verursacht, ermöglicht § 71 Abs. 1 Satz 2 seinem Wortlaut nach ("außer der Hilfe nach den übrigen Bestimmungen dieses Buches sowie den Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches") eine eigenständige, d. h. additive Leistungsgewährung (ebenso Grube, a. a. O., Rz. 3). Dies gilt auch für die Hilfe zur Pflege. Zwar hat auch diese Hilfe die Aufgabe, den im Allgemeinen alten Menschen zu aktivieren, seine persönlichen Fähigkeiten zu unterstützen und einer Vereinsamung entgegenzuwirken (§ 61 Abs. 2 i. V. m. § 28 Abs. 4 SGB XI). Allerdings benötigen auch nicht pflegebedürftige Menschen entsprechende Hilfe, die dann über die Altenhilfe zu gewähren ist (Grube, a. a. O., Rz. 5).
Durch Art. 3a des PSG III v. 22.12.2016 (BGBl. I S. 3159) wurde Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift neu gefasst. Nunmehr soll die Altenhilfe dazu beitragen, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern und alten Menschen die Möglichkeit zu erhalten, selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und ihre Fähigkeit zur Selbsthilfe zu stärken. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9518) soll mit der Änderung des Satzes 2 das Selbstbestimmungsrecht älterer Menschen gestärkt werden sowohl im Hinblick auf die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft als auch im Hinblick der Stärkung der Fähigkeit älterer Menschen zur Selbsthilfe.