Rz. 48
Nach Abs. 1 sind die Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme von Leistungen, die in Einrichtungen oder von Diensten erbracht werden, nur dann verpflichtet, wenn mit diesen Vereinbarungen (Pflegesatzvereinbarungen) i. S. v. Abs. 1 bestehen. Abs. 2 regelt in Satz 2 und 3, unter welchen Voraussetzungen und ggf. mit wem die Sozialhilfeträger solche Vereinbarungen abzuschließen haben.
Rz. 49
Voraussetzung ist, dass die Leistungserbringer unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit und der Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Abs. 1 zur Erbringung der Leistungen geeignet sind. § 9 Abs. 1 entspricht dabei im Wesentlichen der früheren Bestimmung des § 3 Abs. 1 BSHG, wobei der auch nach früherem Recht schon deklaratorische Verweis des § 3 Abs. 1 Satz 2 BSHG auf die Bestimmungen der §§ 93 ff. BSHG nunmehr entfallen ist, ohne dass damit eine Änderung der Rechtslage eingetreten wäre.
Rz. 50
Die Verweisung auf § 9 Abs. 1 dient dazu, die Anforderungen zu konkretisieren, die in qualitativer Hinsicht an Einrichtungen/Dienste zu stellen sind. Sie führt nicht dazu, dass die Verantwortung des Sozialhilfeträgers ganz oder teilweise auf die Einrichtungen/Dienste überginge. Vielmehr verbleibt es auch insoweit bei der Gesamtverantwortung der Sozialhilfeträger.
Rz. 51
Die Voraussetzungen in Abs. 2 Satz 2 sind von den Sozialhilfeträgern vor Abschluss der Pflegesatzvereinbarung zu prüfen. Dabei haben die Sozialhilfeträger die erforderlichen Tatsachen von Amts wegen mit den Mitteln der Amtsermittlung festzustellen, wobei die Träger der Leistungserbringer im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht herangezogen werden können (§§ 20, 21 SGB X).
Rz. 52
Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die Eignung der Leistungserbringer zur Erbringung der Leistungen bejahen zu können, richtet sich nach den Leistungen, die konkret in ihnen erbracht werden sollen. Dies ergibt sich zunächst aus dem Kriterienkatalog in § 76 Abs. 2. Danach müssen die betriebsnotwendigen Anlagen ebenso vorhanden sein wie die erforderliche sachliche und personelle Ausstattung, wobei es vor allem hinsichtlich des Personals nicht nur auf die quantitative Ausstattung, sondern auch die notwendigen Qualifikationen ankommt. Im Hinblick auf die Kriterien des § 9 Abs. 1 müssen die Leistungserbringer darüber hinaus in der Lage sein, Art, Form und Maß der jeweiligen Sozialhilfeleistung nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarf sowie den eigenen Kräften und Mitteln der Person auszurichten.
Rz. 53
Bedarfsgesichtspunkte sind bei Abs. 2 Satz 2 nicht zu prüfen. Das ergibt z. B. schon der Vergleich mit § 109 Abs. 2 SGB V, wo ausdrücklich die Notwendigkeit einer bedarfsgerechten Versorgung hervorgehoben wird. Eine vergleichbare Formulierung findet sich dagegen bei § 75 Abs. 2 Satz 2 nicht (h. M. BVerwG, Urteil v. 30.9.1993, 5 C 41/91; OVG Lüneburg, Beschluss v. 27.5.1998, 4 B 99/87; Neumann, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 75 Rz. 25; a. A. VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 18.6.1993, 6 S 935/91).
Rz. 54
Zweifelhaft ist, ob sich aus Abs. 2 Satz 2 ein einklagbarer Anspruch auf Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung ergibt. Überwiegend wird angenommen, dass auch dann, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen und keine Auswahlentscheidung nach Abs. 2 Satz 3 zu treffen ist, lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht (so z. B. BVerwG, Urteil v. 1.12.1998, 5 C 29/97; OVG Lüneburg, Beschluss v. 23.8.1999, 12 M 2996/99; Neumann, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 75 Rz. 22; Schoenfeld, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 75 Rz. 27; Münder, in: LPK-SGB XII, a. a. O., § 75 Rz. 13, der allerdings bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen von einer Ermessensreduzierung auf null ausgeht, a. a. O., Rz. 18). Zur Begründung wird u. a. darauf verwiesen, dass nach § 77 Abs. 1 Satz 2 für den Fall der Nichteinigung nicht etwa der unmittelbare Klageweg zu den Sozialgerichten, sondern lediglich das Schiedsverfahren eröffnet wird. Diese Auffassung überzeugt indessen nicht. Vielmehr folgt der Anspruch auf Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung (wie hier: Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 75 Rz. 22) ebenso wie bei Krankenhäusern nach § 109 Abs. 2 SGB V (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 29.5.1996, 3 RK 23/95; ebenso für § 121a SGB V BSG, Urteil v. 28.9.2005, B 6 KA 60/03 R) unmittelbar aus Art. 12 und 14 GG. Die Verweigerung eines Vertragsabschlusses wäre nämlich für die jeweilige Einrichtung ein unter Umständen Existenz gefährdender Eingriff in die auch für den Betrieb von Einrichtungen und Diensten geltende Berufsausübungsfreiheit, der von seiner Intensität her einer Berufswahlregelung nahekäme. Das gilt umso mehr, als im Rahmen der Entscheidung nach Abs. 2 Satz 2 Bedarfsgesichtspunkte nicht zu prüfen sind. Eine Ermessensauswahl ist daher nur dann gegeben, wenn eine Auswahlentscheidung nach Abs. 2 Satz 3 zu treffen ist. Eine andere Frage ist, wie der Anspruch auf Abschluss der Pflegesatzvereinbarung prozessual durchzusetzen ist. Dies ...