Rz. 22

Grundsätzlich darf der Hilfesuchende nicht auf (fiktive) Mittel verwiesen werden, die ihm (möglicherweise) erst in Zukunft zur Verfügung stehen werden. Ergibt sich ohne Berücksichtigung dieser Mittel ein Bedarf des Hilfesuchenden, kann diesem grundsätzlich nicht unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 (sog. Nachranggrundsatz) entgegengehalten werden, er müsse sich vorrangig um die Realisierung dieser Mittel (z. B. Ansprüche) bemühen. Bei § 2 Abs. 1 handelt es sich nicht um eine isolierte Ausschlussnorm. Allenfalls in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar sind, kann sich aus § 2 Abs. 1, 1. Alt. eine Ausschlusswirkung ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ergeben (vgl. BSG, Urteil v. 29.9.2009, B 8 SO 23/08 R).

 

Rz. 23

Schuldverpflichtungen sind grundsätzlich nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Denn es ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Verbindlichkeiten des Hilfeempfängers (mittelbar) zu tilgen (vgl. BSG, Urteil v. 4.4.2019, B 8 SO 10/18 R; Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 82 Rz. 37). Schuldverpflichtungen wirken sich ausnahmsweise einkommensmindernd aus, wenn der Leistungsberechtigte das Einkommen aus Rechtsgründen tatsächlich nicht realisieren kann, z. B. ist ein Betriebskostenguthaben ausnahmsweise nicht zu berücksichtigen, soweit der Vermieter dieses gegen bestehende Mietrückstände aufrechnet (vgl. BSG, Urteil v. 16.5.2012, B 4 AS 132/11 R). Befindet sich das Konto des Leistungsberechtigten im Zeitpunkt des Zuflusses einer Einnahme im Soll, steht dies der normativen Wertung als Einkommen i. S. d. § 82 Abs. 1 Satz 1 jedenfalls dann nicht entgegen, wenn eine Überziehung des Kontos möglich bleibt. Mit der Gutschrift wird ein Überziehungskredit zurückgeführt. Die damit verbundene Schuldentilgung stellt eine Form der Mittelverwendung dar, die die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens nicht mindert (vgl. BSG, Urteil v. 12.5.2017, B 8 SO 23/15 R; zum SGB II vgl. auch: BSG, Urteil v. 30.7.2008, B 14 AS 26/07 R, v. 29.4.2015, B 14 AS 10/14 R; zum BSHG: BVerwG, Urteil v. 19.2.2001, 5 C 4/00).

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