Rz. 5
§ 91 setzt zunächst voraus, dass das Vermögen nach § 90 einzusetzen ist. Es muss insbesondere innerhalb angemessener Zeit (i. d. R. voraussichtlich innerhalb von 12 Monaten) verwertbar sein. Tatsächliche oder rechtliche Gründe dürfen einer Verwertung nicht entgegenstehen (vgl. hierzu ausführlich Komm. zu § 90 Rz. 12 f.).
Rz. 6
Hinsichtlich der Entscheidung, ob eine Leistung als Zuschuss oder als Darlehen gemäß § 91 zu erfolgen hat, ist eine Prognose über den für die Verwertung voraussichtlich notwendigen Zeitraum zu treffen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtlich voll überprüfbare Prognoseentscheidung ist dabei der Zeitpunkt, zu dem die Sozialhilfe einsetzen soll (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.12.1997, 5 C 7.96; SG Duisburg, Urteil v. 24.11.2014, S 48 SO 399/11; Mecke, in: jurisPK-SGB XII, § 91 Rz. 12). Kann der Vermögensinhaber über das Vermögen voraussichtlich nicht in angemessener Zeit (i. d. R. 12 Monate) verwerten, ist die Leistung als Zuschuss zu gewähren (vgl. hierzu ausführlich die Komm. zu § 90 Rz. 13). Kann der Vermögensinhaber über das Vermögen voraussichtlich innerhalb angemessener Zeit, nicht aber sofort verfügen, liegt ein Fall des § 91 vor. Soweit ein sofortiger Verbrauch oder eine sofortige Verwertung möglich ist und keine Härte i. S. d. § 91 Satz 1 darstellt, ist eine Leistung ausgeschlossen.
2.1 Sofortiger Verbrauch oder Verwertung unmöglich
Rz. 7
Die erste Alternative der darlehensweisen Leistungsgewährung nach § 91 setzt voraus, dass ein sofortiger Verbrauch oder eine sofortige Verwertung unmöglich ist. Maßgeblich ist insbesondere, dass der Bedarf nicht so lange Aufschub duldet, bis die Vermögensverwertung erfolgt ist, also z. B. weil noch zu beseitigende Vermögensbeschränkungen bestehen oder weil noch Geld transferiert werden muss, ein Grundstücksverkauf oder eine -belastung anstehen oder eine Nachlassauseinandersetzung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 91 Rz. 9; Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 91 Rz. 25). Ist die Sache allerdings auf Dauer nicht verwertbar, handelt es sich nicht mehr um verwertbares Vermögen i. S. d. § 90. Die Leistung muss dann ohne Berücksichtigung des Vermögensgegenstandes als Zuschuss erbracht werden.
2.2 Härtefälle
Rz. 8
"Härte" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum und nicht identisch mit dem Härtebegriff in § 90 Abs. 3 Satz 1 (BVerwG, Urteil v. 14.5.1969, V C 167.67; Dauber, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 91 Rz. 13). Die Regelungen in § 90 Abs. 3 und § 91 Satz 1 unterscheiden sich dadurch, dass bei § 90 Abs. 3 der Einsatz oder die Verwertung des Vermögens zu jeder Zeit eine Härte bedeuten würde, während § 91 nur den sofortigen Verbrauch bzw. die sofortige Verwertung erfasst und den Hilfesuchenden davor schützt, das grundsätzlich verwertbare Vermögen unwirtschaftlich verwerten zu müssen (Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 91 Rz. 1). Eine Härte i. S. d. § 90 Abs. 3 schließt bereits die Verwertung des Vermögens aus, mit der Folge, dass der Vermögensgegenstand nicht nach § 90 Abs. 1 zur Bedarfsdeckung einzusetzen ist. Die Härte in § 91 ergibt sich aus dem Zeitmoment der Verwertung. Die Verwertung ist dem Leistungsberechtigten nach § 90 zuzumuten, bedeutet jedoch vorübergehend eine Härte. Eine Härte i. S. d. § 91 kann sich insbesondere daraus ergeben, dass eine Verwertung oder ein Verbrauch unter Zeitdruck offensichtlich unwirtschaftlich wäre, der Gegenstand in absehbarer Zeit einen erheblichen Wertzuwachs erwarten lässt (z. B. Bauerwartungsland, Aktien oder Wertpapiere mit erheblichem Aufwärtspotential etc.) oder die kurzfristige Verwertung mit unverhältnismäßigen Kosten (z. B. Gutachterkosten) oder hohen Einbußen verbunden wäre (Dauber, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 91 Rz. 14). Hierzu kann z. B. der Verlust der Sparprämie beim prämienbegünstigten Bausparvertrag oder bei vermögenswirksamen Leistungen gehören. Die Verwertung einer Lebensversicherung bedeutet grundsätzlich keine Härte in diesem Sinne (vgl. BSG, Urteil v. 12.10.2017, B 4 AS 19/16 R; Dauber, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 91 Rz. 14 m. w. N.).
Rz. 9
Auf einen Härtefall können sich sowohl der Hilfesuchende als auch die anderen Personen der Bedarfsgemeinschaft berufen.
2.3 Darlehensgewährung
Rz. 10
Der Sozialhilfeträger kann das Darlehen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 53 ff. SGB X (OLG Schleswig, Urteil v. 4.9.1987, 14 U 371/85) oder durch Verwaltungsakt gewähren (oder nach Maßgabe der Zwei-Stufen-Thorie durch Entscheidung über das Ob mittels Verwaltungsakt und der Regelung des Wie durch öffentlich-rechtlichen Vertrag, vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.10.2012, L 23 SO 106/10 m. w. N.). Der Sozialhilfeträger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Leistungsberechtigten zunächst den Abschluss eines Darlehensvertrages anzubieten und mit ihm die Bedingungen "auszuhandeln" (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.10.2012, L 23 SO 106/10).
Rz. 11
Die Modalitäten der Darlehensvergabe sind in jedem Fall dem öffentlichen Recht zuzuordnen und unterliegen den Regelungen des SGB X. Ergänzend gelten die Vors...