2.1 Voraussetzungen der Überleitung
Rz. 3
Die Überleitung setzt voraus, dass
- ein überzuleitender Anspruch (möglicherweise) gegeben ist,
- Leistungen i. S. d. SGB XII erbracht wurden und
- der Subsidiaritätsgrundsatz beachtet wird.
2.1.1 Überzuleitender Anspruch
Rz. 4
Nach § 93 können prinzipiell alle bürgerlich-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Ansprüche übergeleitet werden, soweit nicht speziellere Regelungen einschlägig sind: Für Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht enthält zunächst § 94 eine abschließende Sonderbestimmung, wonach diese Ansprüche kraft Gesetzes übergehen. Deswegen ist § 93 für Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht nicht anwendbar. Für Kindergeldansprüche sind § 74 EStG, § 46 AO einschlägig. Schließlich darf nach Abs. 1 Satz 1 Drittschuldner (also Schuldner des überzuleitendem Anspruchs) nicht ein Leistungsträger nach § 12 SGB I sein, da für diese die Erstattungsvorschriften der §§ 102 ff. SGB X und §§ 106 ff. SGB XII spezieller sind.
Rz. 5
Eine weitere Einschränkung folgt aus der Formulierung in Abs. 1 Satz 1: "bis zur Höhe" der Aufwendungen des Sozialhilfeträgers. Hieraus ergibt sich, dass nur solche Ansprüche überleitungsfähig sind, die auf eine Geldleistung gerichtet sind (OLG Braunschweig, Urteil v. 11.9.1995, 2 W 118/95, FamRZ 1997 S. 27). Damit können beispielsweise folgende Ansprüche Gegenstand einer Überleitung sein:
- Zahlungsansprüche allgemein, wie Darlehensrückzahlungsansprüche, auch der Zahlungsanspruch bei nicht gegebener Ausübbarkeit eines schuldrechtlichen Wohnrechts (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.9.2000, 22 A 3473/98, NJW 2001 S. 2191),
- Rückgabeansprüche in Geld aus Schenkung bei Verarmung nach § 528 BGB,
- künftige Zahlungsforderungen, soweit diese hinreichend bestimmt oder bestimmbar sind,
- Beihilfeansprüche eines Beamten (BVerwG, Urteil v. 30.3.1995, 2 C 5/94, BVerwGE 98 S. 106),
- Pflichtteilsansprüche (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.6.2015, L 9 SO 410/14 B).
- Ein Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) kann hingegen nicht Gegenstand einer Überleitung sein (OLG Braunschweig, Beschluss v. 11.09.1995, 2 W 118/95; vgl. dazu auch Reinbender, Sozialhilferegress nach Grundbesitzübertragung in vorweggenommener Erbfolge unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnungsrechts, 2014, S. 27 ff.).
Rz. 6
Für die Rechtmäßigkeit der Überleitung ist es regelmäßig ohne Belang, ob der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht und welchen Umfang er ggf. hat. Es reicht aus, dass ein Anspruch aus dem konkreten Sachverhalt heraus gegeben sein könnte, da die Überleitung nur einen Gläubigerwechsel bewirkt, im Übrigen den übergeleiteten Anspruch aber nicht verändert und nichts über Bestand, Höhe und Inhalt besagt. All diese Fragen können noch bei – ggf. gerichtlicher – Geltendmachung des übergeleiteten Anspruchs geklärt werden. Hierdurch wird verhindert, dass Sozial- oder Verwaltungsgerichte über rechtswegfremde Fragen zu entscheiden haben; denn i. d. R. ist ein zivilrechtlicher Anspruch Gegenstand der Überleitung. Nur wenn der übergeleitete Anspruch nach materiellem Recht offensichtlich nicht besteht, kann eine dennoch erlassene, deshalb aber sinnlose Überleitungsanzeige ausnahmsweise rechtswidrig sein, sog. Negativevidenz (BSG, Beschluss v. 25.4.2013, B 8 SO 104/12 B, Rz. 9; LSG Bayern, Urteil v. 14.2.2008, L 11 SO 20/07, FEVS 60 S. 131; LSG NRW, Beschluss v. 8.5.2006, L 20 B 40/06 SO ER; s. auch BSG, Urteil v. 21.7.1981, 7 RAr 26/80, SozR 1500 § 75 Nr. 37; st. Rechtsprechung des BVerwG zu § 90 BSHG vgl. nur Urteil v. 15.4.1996, 5 B 12.96, Buchholz Nr. 463.0 § 90 Nr. 24; Urteil v. 4.6.1992, 5 C 57.88, NJW 1992 S. 3313). Negativevidenz liegt nicht nur dann nicht vor, wenn der zivilrechtliche Anspruch bereits aus Rechtsgründen nicht offensichtlich ausscheidet, sondern auch, wenn für die Beurteilung des zivilrechtlichen Anspruchs Ermittlungen zu den tatsächlichen Umständen (Beweiserhebung) notwendig sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 7.5.2012, L 20 SO 32/12).
Der Anspruchsübergang setzt auch nicht voraus, dass der Anspruch übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Nach Abs. 1 Satz 4 ist der Anspruchsübergang von diesen Voraussetzungen nicht abhängig. Es ist damit z. B. unerheblich, ob Leistungsberechtigter und Drittschuldner schuldrechtlich i. S. v. § 399 BGB vereinbart haben, dass die Abtretung der fraglichen Forderung ausgeschlossen ist.
Der überzuleitende Anspruch muss ferner entweder zum Einkommen oder Vermögen der leistungsberechtigten Person gehören. Für andere Leistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung kann zudem auf Ansprüche der Eltern des Leistungsberechtigten, des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder des Lebenspartners zugegriffen werden. Mit Letzterem sind nur Lebenspartner i. S. d. Lebenspartnerschaftsgesetzes v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266), zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.12.2001 (BGBl. I S. 3513), gemeint (BT-Drs. 15/1514 S. 53 und 15/1761 S. 4; vgl. auch § 33b SGB I).
Im Hinblick auf die praxisrelevante Überleitung von Schenkungsrückforderungsansprüchen (vgl. dazu Mester, ZfF 2003 S. 49; Müller, Der R...