2.2.1 Ausschlusstatbestände (Abs. 1)
Rz. 6
Zum Schutz aller Unterhaltspflichtigen enthalten zunächst Abs. 1 Satz 2 bis 6 Ausschlusstatbestände, die einen Anspruchsübergang verhindern. Auf diesem Weg werden unerwünschte bzw. sinnwidrige Ergebnisse vermieden, auch indem Leistungen in diesen Fällen nicht von der Selbsthilfe (durch Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs) abhängig gemacht werden dürfen. Solche Schutzvorschriften enthalten auch Abs. 2 und 3 (vgl. Komm. dort).
Nach Abs. 1 Satz 2 geht der Unterhaltsanspruch nicht über, wenn der Unterhaltspflichtige ihn laufend durch Zahlung erfüllt. Diese Regelung hat vor allem klarstellende Funktion, da ein Anspruch nie auf einen Dritten übergehen kann, wenn er zuvor durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB untergegangen ist. Bedeutsam ist die Vorschrift nur, wenn der Sozialhilfeträger wegen künftiger Leistungen nach Abs. 4 Satz 2 klagt. Dann kann der Unterhaltspflichtige nach Abs. 1 Satz 2 Unterhalt weiterhin befreiend an den Leistungsberechtigten zahlen.
Rz. 7
Ferner ist der Anspruchsübergang nach Abs. 1 Satz 3 1. Variante ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zur Bedarfsgemeinschaft gehört (vgl. § 19). Hierdurch wird eine Doppelanrechnung vermieden; denn das Einkommen bzw. Vermögen des Unterhaltspflichtigen wird hier bereits bei der Bedürftigkeitsprüfung des Leistungsberechtigten durch Anrechnung berücksichtigt, mit der Folge, dass in dem Umfang kein Anspruch auf Leistungen besteht, soweit dieses Einkommen bzw. Vermögen den (fiktiven) sozialhilferechtlichen Bedarf des Unterhaltspflichtigen übersteigt. Der Unterhaltspflichtige kann ggf. auch nach § 19 Abs. 5, § 92 Abs. 1 zum Aufwendungsersatz bzw. Kostenbeitrag herangezogen werden, soweit ein Sozialhilfeträger bereits Leistungen erbracht hat.
Nach Abs. 1 Satz 3, 2. Variante ist ein Übergang des Unterhaltsanspruchs ausgeschlossen, wenn das Verwandtschaftsverhältnis im zweiten oder einem entfernteren Grad besteht. Hieraus folgt insbesondere, dass Leistungen nicht von Unterhaltsansprüchen im Verhältnis Großeltern/Enkel abhängig gemacht werden dürfen.
Schließlich kennt Abs. 1 Satz 3 eine dritte Ausschlussvariante in HS 2, wonach für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung keine Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen erfolgt. Hierbei handelt es sich um eine Folgeregelung der Einbeziehung des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) in das SGB XII v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022); auch nach § 2 Abs. 1 GSiG erfolgte die Leistungsgewährung im Wesentlichen ohne Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen.
Rz. 8
Nach Abs. 1 Satz 4 werden Schwangere und Erziehende (sofern das leibliche Kind das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet hat) besonders geschützt: Die ihnen zustehenden Unterhaltsansprüche gehen nicht über, um eine Lebensperspektive unter Entlastung von der materiellen Abhängigkeit gegenüber Eltern zu eröffnen (BT-Drs. 12/2605 S. 20, Begründung zum Gesetzentwurf zu § 91 Abs. 1 Satz 3 HS 2 BSHG). Dies berücksichtigend ist der Tatbestand auch erfüllt, wenn das Kind in untergeordnetem Umfang auch durch andere betreut wird.
Rz. 9
Ferner findet gemäß Abs. 1 Satz 5 ein Übergang des Unterhaltsanspruchs nicht statt, wenn vorrangige Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 115 SGB X oder Schadensersatz nach § 116 SGB X übergehen.
Rz. 10
(unbesetzt)
2.2.2 Beschränkungen bei Behinderten und Pflegebedürftigen (Abs. 2)
Rz. 11
Abs. 2 sieht Beschränkungen für Unterhaltspflichtige von volljährigen Behinderten und Pflegebedürftigen vor, um diese nicht zusätzlich unzumutbar zu belasten. Deren Unterhaltspflicht kann vom Sozialhilfeträger (die Beschränkung gilt also nicht im Verhältnis Unterhaltsberechtigter zum Unterhaltspflichtigen, FG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.4.2009, 4 K 2995/07, EFG 2009 S. 1306) nur in begrenztem Umfang eingefordert werden. Durch die 3. Stufe des BTHG erfolgt mit Wirkung zum 1.1.2020 eine redaktionelle Änderung des Abs. 2 Satz 1 dahingehend, dass die Wörter "behindert im Sinne von § 53" durch die Wörter "in erheblichem Maße zur Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt (§ 99 des Neunten Buches)" ersetzt und die Wörter "Sechsten und" gestrichen werden (BGBl. I S. 3326). Nach Satz 1 geht der Unterhaltsanspruch von volljährigen Behinderten und Pflegebedürftigen gegenüber Eltern wegen Leistungen in Form der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und Hilfe zur Pflege nur i. H. v. maximal 26,00 EUR monatlich über. Für die Hilfe zum Lebensunterhalt geht zusätzlich der Unterhaltsanspruch i. H. v. 20,00 EUR über, so dass bei Zusammentreffen beider Pauschalen mit insgesamt 46,00 EUR monatlich ein Unterhalt von den Pflichtigen verlangt wird, der weniger als ein Drittel des Kindergeldes ausmacht (BT-Drs. 15/1514 S. 66); der Gesetzgeber sieht also hier eine zumutbare Belastung gerade mit Blick auf die Höhe des Kindergeldes. Deswegen ist Letzteres auch Maßstab für die Höhe der Pauschalen: Diese ändern sich nach Abs. 2 Satz 3 in dem Umfang, in dem sich das Kindergeld verändert. Diese Pauschalen gelten ferner unabhängig davon, ob der behinderte oder pflegebedürftige Mensch ambulante oder stationäre Pflege erhält; die – ...