0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
In § 97 sind die Regelungsgehalte zur sachlichen Zuständigkeit der örtlichen und überörtlichen Träger Sozialhilfe der bisherigen §§ 99, 100, 101 BSHG (Gesetz v. 30.6.1961, BGBl. I S. 815) in vereinfachter Regelungstechnik zusammengefasst (Hohm, in: Schellhorn e.a., SGB XII, § 97 Rz. 1). Damit werden erstmals die sachliche Zuständigkeit des örtlichen und des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe und die allgemeinen Aufgaben der überörtlichen Träger in einer Vorschrift geregelt. Im Regierungsentwurf (BT-Drs. 15/1514) war dies zunächst § 92. Durch Änderungen im Vermittlungsausschuss erhielt die Vorschrift die heutige Bezeichnung "§ 97", blieb aber inhaltlich unverändert. Die Vorschrift ist am 1.1.2005 in Kraft getreten (Art. 70 des Gesetzes v. 27.12.2003, BGBl. I S. 3022).
Rz. 2
Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 übernehmen inhaltsgleich bisher geltendes Recht (§ 99 und § 100 Abs. 1 Satz 1 BSHG).
Rz. 3
Abs. 2 Satz 2 ist neu und folgt der Maxime, dass die sachliche Zuständigkeit sich nach Leistungsarten (Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, Blindenhilfe), nicht jedoch nach Leistungsformen (stationär/teilstationär/ambulant) richten sollte (vgl. Rz. 18).
Rz. 4
Abs. 3 betrifft den Regelungsbereich des bisherigen § 100 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 BSHG, folgerichtig ohne die dort vorgesehenen Zuständigkeitsteilungen nach Leistungsformen (s. Rz. 3). Wegen der erforderlichen Übergangsfristen trat Abs. 3 erst am 1.1.2007 in Kraft. Bis dahin galt die alte Regelung des § 100 Abs. 1 BSHG weiter.
Mit Wirkung zum 1.1.2020 ist in Abs. 3 die Regelung von Nr. 1 gegenstandslos geworden, sie wurde daher aufgehoben. Die bis dahin in Abs. 3 Nr. 1 dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe subsidiär zugewiesene Leistungsart "Eingliederungshilfe" wurde durch das Gesetz zu Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3326) neu geordnet und in das SGB IX als dessen Teil 2 mit den §§ 90 bis 150 überführt. Zuständig wurden ab dem 1.1.2020 die (neuen) Träger der Eingliederungshilfe (§ 94 Abs. 1 SGB IX; Hohm, in: Schellhorn e.a., SGB XII, § 97 Rz. 1.2; Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 97 Rz. 14).
Rz. 5
Abs. 4 übernimmt sinngemäß den Regelungsgehalt des § 100 Abs. 2 BSHG.
Rz. 6
Schließlich wird die Regelung des § 101 BSHG in Abs. 5 übernommen.
Die Vorschrift trat als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft (abweichend trat Abs. 3 am 1.1.2007 in Kraft, vgl. Rz. 4).
1 Allgemeines
Rz. 6a
Aus der Festlegung des Abs. 3, wonach die Sozialhilfe von örtlichen und überörtlichen Trägern geleistet wird, folgt zugleich, dass es neben den örtlichen auch überörtliche Träger der Sozialhilfe geben muss, denn ein kraft Gesetzes zur Leistung verpflichteter Träger muss vorhanden sein, um leisten zu können (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 97 Rz. 3; Schmeller, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 97 Rz. 7). Der somit neben dem örtlichen Träger vom Gesetz als normativ gleichrangig angesehene überörtliche Träger muss nicht nur vorhanden sein, darüber hinaus muss er zwingend mit einem Aufgabenbestand versehen sein, wenn er – wie im übrigen auch von § 3 vorausgesetzt wird – als Leistungsträger fungieren, also selbst individuelle Leistungen im Einzelfall zu erbringen in der Lage sein soll. § 97 Abs. 5 bestätigt diesen Befund ebenso wie § 28 Abs. 1 SGB I.
Rz. 6b
Aus dem Gesagten folgt weiter, dass der überörtliche Träger weder organisatorisch noch rechtlich mit einem örtlichen Träger (oder deren mehrere) identisch sein kann (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 97 Rz. 3). Eine entgegenstehende landesrechtliche Regelung verstieße gegen zwingendes Bundesrecht, sie wäre nichtig und damit unbeachtlich (Art. 31 GG). Die Länder haben die für die Erbringung von Sozialhilfeleistungen notwendigen Vorkehrungen zu treffen, insbesondere örtliche und überörtliche Träger zu bestimmen oder neu zu schaffen (Art. 83 ff. GG).
Rz. 7
Die Frage nach dem im Einzelfall örtlichen oder überörtlichen leistungspflichtigen Sozialhilfeträger geht in zwei Richtungen:
Zunächst ist die sachliche Zuständigkeit zu klären, die immer entweder einem örtlichen oder einem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zugeordnet ist (§ 3), denn nach § 3 Abs. 1 wird die Sozialhilfe von örtlichen (im räumlich-topographischen Sinn ortsbezogenen bzw. ortsnahen) Trägern und von überörtlichen (regionalen, über ein größeres Gebiet sich erstreckenden und daher eher ortsfernen) Trägern der Sozialhilfe geleistet (Hohm, in: Schellhorn e.a., SGB XII, § 97 Rz. 4). Dabei bestimmt § 97 Abs. 1 eine Allzuständigkeit des örtlichen Trägers für "die Sozialhilfe", lediglich für ausdrücklich zugewiesene besonders genannte Leistungen ist der überörtliche Träger zuständig (Deckers, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 97 Rz. 10). Die Zuweisung zum überörtlichen Träger begründet sich daraus, dass es sich im Allgemein...