0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 5 des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) mit Wirkung zum 1.1.2017 neu eingefügt. Sie sollte in dieser Fassung bis zum 31.12.2019 gültig sein. Sodann sollte § 63b Abs. 1 Satz 1 durch Art. 13 Nr. 20 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3243) neu gefasst werden, wobei es sich um eine redaktionelle Folgeänderung aufgrund der Überführung der Eingliederungshilfe in das SGB IX handelte (BT-Drs. 18/9522 S. 337). Allerdings wurden diese redaktionellen Änderungen obsolet bzw. sind aufgrund textlicher Unstimmigkeiten nicht durchführbar, nachdem § 63b Abs. 1 gemäß Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 18/10510 S. 128) abweichend vom ursprünglichen Regierungsentwurf am 1.1.2020 in Kraft getreten ist.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt das Verhältnis der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel zu anderen Leistungen und betrifft damit die Leistungskonkurrenz. Vorgängervorschrift war im Wesentlichen § 66 in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung, der wiederum § 69c BSHG nachgebildet war. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Vorschrift des § 63b Klarheit bei der Abgrenzung insbesondere zwischen Leistungen der Hilfe zur Pflege und solchen der Eingliederungshilfe zu schaffen, da er davon ausging, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff das Spannungsverhältnis zwischen beiden Leistungsarten verstärkt und vermehrt Abgrenzungsfragen – vornehmlich im Zusammenhang mit pflegerischen Maßnahmen im häuslichen Umfeld – auftreten (vgl. BT-Drs. 18/9518 S. 90).
Rz. 3
Die Vorschrift unterscheidet sich in Abs. 1 wesentlich vom ursprünglichen Regierungsentwurf. Danach hätte Abs. 1 wie folgt lauten sollen (vgl. BT-Drs. 18/9518, 25):
"Im häuslichen Umfeld im Sinne des § 36 des Elften Buches der Pflegebedürftigen gehen die Leistungen der Hilfe zur Pflege den Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach diesem Buch, dem Bundesversorgungsgesetz und dem Achten Buch vor, es sei denn, bei der Leistungserbringung steht die Erfüllung der Aufgaben der Eingliederungshilfe im Vordergrund. Außerhalb des häuslichen Umfelds gehen die Leistungen der Eingliederungshilfe den Leistungen der Hilfe zur Pflege vor. Im Übrigen werden Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht erbracht, soweit Pflegebedürftige gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten."
Dieser ursprüngliche Entwurf der Vorschrift, der einen Vorrang der Hilfe zur Pflege im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe vorsah, war sehr umstritten und wurde schließlich entsprechend Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 18/10510 S. 128) geändert.
2 Rechtspraxis
Rz. 4
Im Grundsatz bestimmt Abs. 1, dass Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht erbracht werden, soweit Pflegebedürftige gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Abs. 1 ist folglich eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes des § 2. Gesetzgeberisches Ziel war es, Doppelleistungen zu vermeiden.
Dabei ist die ‹Gleichartigkeit› der Leistungen für die Anwendung von § 63b Abs. 1 konkret festzustellen. ‹Gleichartig› mit Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII sind Leistungen anderer Sozialleistungsträger nur dann, wenn sie nicht nur den gleichen Zweck verfolgen, sondern über die Zweckidentität hinaus auch gleicher Art wie die Pflegehilfen der Sozialhilfe sind (vgl. schon zur Vorgängervorschrift im BSHG BVerwG, Urteil v. 31.1.1968, V C 27.67). Hauptanwendungsfall der bezüglich § 63b gleichartigen und damit grundsätzlich vorrangigen Leistungen sind z. B. die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gemäß §§ 36 ff. SGB XI (vgl. in diesem Zusammenhang zur Gabe von Sondennahrung während des Schulbesuchs: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 14.5.2019, L 9 SO 31/18 B ER), das Pflegegeld einer privaten Pflegeversicherung, Pflegegelder der Berufsgenossenschaften gemäß § 44 SGB VII oder auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V (vgl. Meßling,in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 63b Rz. 19 m. w. N.).
Rz. 5
Abs. 2 Satz 1 regelt hinsichtlich der Blindenhilfe eine Ausnahme vom Grundsatz des Abs. 1. Danach sind Leistungen nach § 72 oder gleichartigen Rechtsvorschriften – hierzu gehören die landesrechtlichen Vorschriften zum Blindengeld – mit 70 % auf das Pflegegeld nach § 64a anzurechnen. Hintergrund ist, dass Leistungen der Blindenhilfe nicht deckungsgleich mit Leistungen der Hilfe zur Pflege sind (vgl. Meßling, a. a. O., § 63b Rz. 23 m. w. N.). Ist die Blindheit Ursache der Pflegebedürftigkeit, wird Pflegegeld ausschließlich innerhalb, nicht außerhalb (vgl. § 72 Abs. 4 Satz 1) von stationären Einrichtungen gewährt, sodass die Anrechnung überhaupt nur beim betroffenen Personenkr...