1.

Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehört die kieferorthopädische Behandlung, wenn durch sie eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung die Funktion des Beißens, des Kauens, der Artikulation der Sprache oder eine andere Funktion, wie z. B. Nasenatmung, der Mundschluss oder die Gelenkfunktion, erheblich beeinträchtigt ist bzw. beeinträchtigt zu werden droht und wenn nach Abwägung aller zahnärztlich-therapeutischen Möglichkeiten durch kieferorthopädische Behandlung die Beeinträchtigung mit Aussicht auf Erfolg behoben werden kann.

 

2.

Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gemäß § 29 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit Abs. 4 gehört die gesamte kieferorthopädische Behandlung, wenn bei ihrem Beginn ein Behandlungsbedarf anhand der befundbezogenen kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) - Anlage 1 zu den Richtlinien - festgestellt wird. Eine Einstufung mindestens in den Behandlungsbedarfsgrad 3 der Indikationsgruppen ist dafür erforderlich. Die Kriterien zur Anwendung der kieferorthopädischen Indikationsgruppen (Anlage 2 zu diesen Richtlinien) sind für die Zuordnung zur vertragszahnärztlichen Versorgung verbindlich. Bei der klinischen Untersuchung zur Feststellung des Behandlungsbedarfsgrades sind in der Regel keine weiteren diagnostischen Leistungen erforderlich.

 

3.

Bedarf es in Einzelfällen zusätzlicher Untersuchungen, Beratungen sowie ggf. weiterer diagnostischer Leistungen zur Überprüfung, ob die kieferorthopädische Behandlung der vertragszahnärztlichen Versorgung zuzuordnen ist, gehören auch diese zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Diagnostische Leistungen sind in zahnmedizinisch sinnvoller Weise zu beschränken.

 

4.

Kieferorthopädische Behandlungen bei Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, gehören nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung.

Das gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert.

Schwere Kieferanomalien in diesem Sinne liegen nach Maßgabe der Anlage 3 zu diesen Richtlinien vor bei

  • angeborenen Missbildungen des Gesichts und der Kiefer,
  • skelettalen Dysgnathien und
  • verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen,

sofern eine Einstufung mindestens in die Behandlungsbedarfsgrade A5, D4, M4, O5, B4 oder K4 der Indikationsgruppen festgestellt wird.

In diesen Fällen ist ein aufeinander abgestimmtes kieferchirurgisches und kieferorthopädisches Behandlungskonzept zu erstellen.

 

5.

Die eigenverantwortliche Befunderhebung, Diagnostik und Planung sind Grundlage der kieferorthopädischen Behandlung. Das Maß der jeweiligen Beeinträchtigung ist durch objektivierbare Untersuchungsbefunde zu belegen. Der Zahnarzt soll Inhalt und Umfang der notwendigen diagnostischen Leistungen nach den individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls festlegen.

Die Durchführung jeder kieferorthopädischen Behandlung setzt eine dem jeweiligen Behandlungsfall entsprechende Patientenuntersuchung sowie die Erhebung, Auswertung und ärztliche Beurteilung von Befundunterlagen voraus. Aus der selbständigen Erhebung und Auswertung von Befunden und Behandlungsunterlagen und ihrer diagnostischen Zusammenfassung ist vom Zahnarzt persönlich und eigenverantwortlich eine Behandlungsplanung zu erarbeiten. Für die Planung und Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung sind je nach Indikation neben der Anamnese und klinischen Untersuchung folgende Unterlagen erforderlich:

 

a)

Gebissmodelle des Ober- und Unterkiefers mit fixierter Okklusion und dreidimensional orientiert (Planungsmodell) einschließlich Analyse.

Das Modell des einzelnen Kiefers muss neben der genauen Darstellung der Zähne und des Alveolarkammes auch die Kieferbasis und die Umschlagfalte der Gingiva abbilden.

 

b)

Röntgenologische Darstellung aller Zähne und Zahnkeime beider Kiefer.

Dabei soll einem strahlenreduzierten Aufnahmeverfahren, z. B. der Panoramaschichtaufnahme, der Vorzug gegeben werden.

 

c)

Fernröntgenseitenbild mit Durchzeichnung und schriftlicher Auswertung zur Analyse skelettaler und/oder dentaler Zusammenhänge der vorliegenden Anomalie und/oder für Wachstumsvorhersagen.

 

d)

Röntgenaufnahme der Hand mit Auswertung

  • bei Abweichung des chronologischen vom Dentitionsalter nur dann, wenn eine Orientierung über das Wachstumsmaximum und das Wachstumsende notwendig ist, oder
  • wenn nach abgeschlossener Dentition die Kenntnis des skelettalen Alters für die Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung erforderlich ist.
 

e)

Profil- und Enface-Fotografie mit diagnostischer Auswertung als Entscheidungshilfe für Therapiemaßnahmen, soweit Abweichungen von einem geraden Profil, periorale Verspannungen oder Habits vorliegen, die einen zwanglosen Mundschluss unmöglich machen.

 

6.

Der Vertragszahnarzt erhebt die Anamnese, stellt die Diagnose aus den Einzelbefunden einschließlich der Prognose und verfasst die Epikrise. Diese Leistungen sind persönlich und eigenverantwortlich zu erbringen.

Auf dieser Grundlage erarbeitet er persönlich und eig...

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