2.3.1 Überblick

 

Rz. 14

Für die Leistungsansprüche nach dem SGB IX ist die Ursache der Behinderung unbedeutend. Es spielt also keine Rolle, ob die Behinderung angeboren, schicksalhaft oder aufgrund äußerer Einwirkung entstanden ist.

Die Rehabilitationsträger (vgl. § 6 SGB IX) haben die "gesamtschuldnerische" Verpflichtung, bei einem individuellen Teilhabebedarf des behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen Leistungen zur Erreichung der in § 10 aufgeführten Ziele zur Verfügung zu stellen. Der konkrete Leistungsumfang richtet sich nach dem trägerspezifischen Recht des (dann) zuständigen Rehabilitationsträgers (vgl. § 7 SGB IX). Dabei ist die "vorläufige Leistungsregelung" des § 14 SGB IX zu beachten (erstangegangener, zweitangegangener Rehabilitationsträger).

 

Rz. 15

Bis die (Wieder-)Eingliederung eines behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen in Beruf und Gesellschaft gelingt, sind ggf. mehrere Leistungen unterschiedlicher Rehabilitationsträger zeitlich hintereinander notwendig (z. B. erst medizinische Leistungen zur Rehabilitation durch die Krankenkasse, dann Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Bundesagentur für Arbeit). Sofern ein Rehabilitationsträger Leistungen bereitstellt, hat er dieses so umfassend und in der gebotenen Qualität zu tun, dass nach Möglichkeit Leistungen eines anderen Rehabilitationsträgers nicht in Betracht kommen (vgl. § 4 Abs. 2 SGB IX). Das bedeutet, dass der Rehabilitationsträger ggf. Leistungen, die dem Grunde nach nicht seinem Leistungsspektrum zuzuordnen sind, aber im Rahmen des Gesamtteilhabeprozesses notwendig sind, erbringen muss, um z. B. das trägerübergreifende Teilhabeziel so schnell wie möglich zu erreichen (z. B. Schuldnerberatung bei einem Alkoholabhängigen während einer Entwöhnungsmaßnahme der Krankenkasse, ferner: Mitbehandlung von interkurrenten Erkrankungen während einer Teilhabeleistung des Rentenversicherungsträgers im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten).

2.3.2 Ziele der Teilhabeleistungen

 

Rz. 16

Die Teilhabeleistungen (§ 5) verknüpfen das "soziale Recht" behinderter Menschen auf Sozialleistungen entsprechend § 10 mit den Ansprüchen, die im SGB IX sowie in den für die einzelnen Rehabilitationsträger geltenden besonderen Vorschriften (z. B. §§ 40 ff. SGB V) geregelt sind. Die Teilhabeziele (§ 4) machen deutlich, dass die Einzelregelungen zur Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen ein gewachsenes und in sich sehr differenziertes, jedoch – auch bei unterschiedlichen Zuständigkeiten und Leistungsvoraussetzungen – in der Sache und insbesondere auch für betroffene Menschen durchgängiges System zur Verwirklichung der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten sozialpolitischen Ziele bilden sollen. Wie bei § 1 ist auch bei den hier genannten Zielen zu beachten, dass die Familie oft der wichtigste Bezugsrahmen und Lebensraum der Betroffenen ist (vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 99).

 

Rz. 17

Die Teilhabeleistungen zielen in erster Linie nicht auf die Wiederherstellung der Gesundheit (erfolgt über die Krankenbehandlung; vgl. § 27 ff. SGB V), sondern auf die Beseitigung der Barrieren, die sich als Folge der Behinderung zeigen (z. B. soziale Isolation, Unmöglichkeit der Eigenversorgung und der Verrichtung der alltäglichen Bedürfnisse, Arbeitsplatzgefährdung).

Es gilt der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente, Pflege oder anderen Sozialleistungen" (vgl. § 8 SGB IX), sofern der Rehabilitations-/Teilhabeerfolg aufgrund der eingeschränkten gesundheitlichen Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen möglich ist. Dabei können die Rehabilitations-/Teil­habeleistungen bereits dann beansprucht werden, wenn ein Teilerfolg nicht ausgeschlossen ist.

Konkret verfolgen die Teilhabeleistungen folgende Ziele:

2.3.2.1 Minderung/Verhinderung einer Behinderung (Nr. 1)

 

Rz. 18

Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung die Partizipationsstörungen/Barrieren abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Nr. 1 beschreibt deshalb die Ziele der Hilfen, die unmittelbar an den gesundheitlichen Partizipationsstörungen ansetzen und so die Folgen der Behinderung mindern bzw. beseitigen sollen.

 

Rz. 19

Dieses Ziel kann über medizinische Rehabilitationsleistungen (vgl. § 26 ff. SGB IX) erreicht werden. Ansprüche ergeben sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 40 ff. SGB V, §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und § 15 SGB VI, §§ 26 ff. SGB VII, §§ 53a, 40 SGB VIII, § 53 Abs. 3 und § 54 Abs. 1 SGB XII sowie §§ 10 ff. BVG.

§ 10 Nr. 1 SGB I ist mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX identisch. Deshalb wird hinsichtlich der weiteren Kommentierung auch auf die Ausführungen zu § 4 SGB IX verwiesen.

2.3.2.2 Beeinflussung der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit (Nr. 2)

 

Rz. 20

Eine Behinderung beeinträchtigt nicht selten die Erwerbsfähigkeit und kann außerdem bei schweren Funktions-/Aktivitätsstörungen Pflegebedürftigkeit i. S. d. §§ 14, 15 SGB XI verursachen. Auch hier setzen die Ziele von Teilhabeleistungen an: Die Leistungen zur Teilhabe sollen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit vermeiden, überwinden, mindern oder eine Verschlimmerung verhü...

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