Rz. 2
Das SER ist in § 5 dergestalt umschrieben, dass demjenigen, der einen Gesundheitsschaden erleidet, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen einzustehen hat, Entschädigung zu leisten ist. Gesetzlich geregelt ist das SER im Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie spezialgesetzlichen Nebengesetzen (vgl. hierzu die Komm. zu § 5). Daneben bestehen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu einzelnen Bestimmungen des BVG, die diese erläutern und ergänzen. Bedeutsam sind weiterhin die vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem SchwbG (AHP). Diese enthalten Hinweise für die Beurteilung und Bewertung der medizinisch relevanten Sachverhalte, namentlich hinsichtlich der Bewertung einer MdE sowie für Fragen des Kausalzusammenhangs (abrufbar im Internet auf der Homepage des BMAS unter http://www.bmas.de). Die AHP haben keine Rechtsnormqualität, vielmehr handelt es dabei nach Auffassung des BSG um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das den aktuellen Wissens- und Erkenntnisstand der herrschenden medizinischen Lehrmeinung wiedergibt (BSG, Urteil v. 18.9.2003, B 9 SB 3/02 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 2). Als einleuchtendes, abgewogenes und in sich geschlossenes Beurteilungsgefüge ermöglichen die AHP der Versorgungsverwaltung und den Gerichten unter Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes, den zutreffenden MdE/GdB-Grad für eine Schädigungsfolge oder Behinderung zu bestimmen. Im Interesse der nach Art. 3 GG gebotenen gleichmäßigen Behandlung der Betroffenen, d. h. einer einheitlichen und gleichmäßigen Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe im sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertengesetz wie z. B. GdB und MdE, entfalten die AHP wegen des fehlenden Normgefüges in der Verwaltungspraxis normähnliche Wirkung und sind von den Gerichten wie untergesetzliche Normen anzuwenden (vgl. BSG, Urteile v. 23.6.1993, 9/9a RVs 1/91, SozR 3-3870 § 4 Nr. 6; v. 11.10.1994, 9 RVs 1/93, SozR 3-3870 § 3 Nr. 5; v. 18.12.1996, 9 RV 17/95, juris; v. 1.9.1999, B 9 V 25/98 R, SozR 3-3100 § 30 Nr 22; BVerfG, Beschluss v. 6.3.1995, 1 BvR 60/95, SozR 3-3870 § 3 Nr. 6).
Rz. 2a
Nachdem das BSG schon mit Urteil v. 23.6.1993 (9/9a RVs 1/91, SozR 3-3870 § 4 Nr. 6) eine Ermächtigungsnorm sowie klare gesetzlichen Vorgaben für die AHP angemahnt hat, wurde durch das zum 21.12.2007 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts v. 13.12.2007 (BGBl. I S. 2904) zwecks Verrechtlichung der AHP eine Ermächtigungsgrundlage für eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu erlassende Rechtsverordnung geschaffen. Hierzu wurde § 30 BVG ein Abs. 17 (!) wie folgt angefügt: "Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln." Die Ermächtigungsgrundlage findet sich nunmehr in § 30 Abs. 16 BVG. Der frühere Abs. 16 wurde aufgehoben und der frühere Abs. 17 gemäß Art. 1 Nr. 16 Buchst. e und f des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften v. 20.6.2011 (BGBI. I S. 1114) mit Wirkung zum 1.7.2011 zu Abs. 16.
Rz. 2b
Die AHP sind ab dem 1.1.2009 von den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) abgelöst worden. Die VMG wurden veröffentlicht als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung v. 11.10.2012, BGBl. I S. 2122) v. 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412). Die Versorgungsmedizin-Verordnung gilt ab 1.1.2009. Die VersMedVO wurde fortgeschrieben durch die Erste Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (1. VersMedVÄndVO) v. 1.3.2010 (BGBl. I S. 249,), die Zweite Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (2. VersMedVÄndVO) v. 14.7.2010 (BGBl. I S. 928), die Dritte Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (3. VersMedVÄndVO) v. 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), die Vierte Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (4. VersMedVÄndVO) v. 28.11.2011 (BGBl. I S. 2153) und die Fünfte Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (5. VersMedVÄndVO) v. 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die VMG dem aktuellen Stand...