0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015) mit Wirkung zum 1.1.1976 eingeführt. Sie wurde durch Art. 2 Nr. 2 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1163) mit Wirkung zum 1.1.1991 neu gefasst. Abs. 1 Nr. 4 wurde neu gefasst durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts v. 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088) mit Wirkung zum 1.8.1996.
1 Allgemeines
1.1 Leistungen und andere Aufgaben
Rz. 1a
In Abs. 1 führt die Vorschrift im Überblick Angebote und Hilfen der Kinder- und Jugendhilfe auf. In § 2 Abs. 1 SGB VIII werden diese im Einzelnen aufgeführt und auf es wird auf die speziellen Vorschriften des SGB VIII verwiesen. Die ebenfalls zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe zählenden anderen Aufgaben erwähnt Abs. 1 nicht. Sie haben keine Sozialleistungen zum Gegenstand.
1.2 Rechtsanspruch – Teilhabeanspruch
Rz. 2
Angebote und Hilfen sind Sozialleistungen i. S. d. § 11 Satz 1. Sie sind in unterschiedlichem Maße gesetzlich konkretisiert. Dementsprechend ist die Qualität der daraus resultierenden Ansprüche unterschiedlich zu beurteilen. Während die gesetzlich normierten Hilfen gemäß § 8 Satz 1 SGB I ein subjektiv-öffentliches Recht des Hilfebedürftigen begründen, ist dies bei den Angeboten anders. Der Gesetzgeber normiert hier eine objektiv-rechtliche Verpflichtung, die der Konkretisierung bedarf. Dieser Verpflichtung steht kein subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers gegenüber. Die Verpflichtung des Trägers wird über die in § 79 Abs. 1 und 2 SGB VIII normierte Gesamtverantwortung und die Gewährleistungspflicht des Trägers verdichtet. Dem Bürger steht hinsichtlich der Förderangebote indes ein auf das Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG gestütztes einklagbares Teilhaberecht zu.
1.3 Vorrang und Nachrang der Kinder- und Jugendhilfe
Rz. 3
Gemäß § 10 Abs. 1 SGB VIII sind im Grundsatz die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gegenüber anderen Sozialleistungen sowie gegenüber anderen Verpflichtungen Dritter nachrangig. Gemäß § 10 Abs. 3 und 4 SGB VIII gehen jedoch Leistungen nach dem SGB VIII den Leistungen nach dem SGB II und den Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII grundsätzlich vor. Dabei ist wiederum im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die jeweilige Leistung nach dem SGB VIII dem gleichen Zweck dient wie die Leistung nach dem SGB II oder dem SGB XII. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 und der §§ 14 bis 16 SGB XII sowie Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für geistig behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte junge Menschen gehen jedoch den Leistungen nach dem SGB VIII vor.
2 Rechtspraxis
2.1 Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und erzieherischer Jugendschutz
Rz. 4
Die in Abs. 1 aufgeführten Begriffe umschreiben Schwerpunkte der Kinder- und Jugendhilfe. Abs. 1 Nr. 1 benennt die Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes. Die Regelungen dazu sind im Ersten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VIII enthalten (§§ 11 bis 15). Die Jugendarbeit beinhaltet Angebote zur Förderung der Entwicklung junger Menschen, die an ihre Interessen anknüpfen, von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden sollen, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen sollen (§ 11 Abs. 1 SGB VIII). Jugendarbeit wird von einer Vielzahl von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, von anderen Trägern der Jugendarbeit und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe angeboten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Sie umfasst die unterschiedlichsten Angebote, die in § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII skizziert sind. Die Schwerpunkte der Jugendarbeit werden in § 11 Abs. 3 SGB VIII in einer nicht abschließenden Aufzählung genannt. Dazu gehören außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung, Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit, arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit, internationale Jugendarbeit, Kinder- und Jugenderholung und Jugendberatung.
Rz. 4a
Im Rahmen der Jugendsozialarbeit sollen jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern (§ 13 Abs. 1 SGB VIII).
Rz. 4b
Maßnahmen des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes sollen junge Menschen befähigen, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen, und sie zu Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen führen, und ferner Eltern und andere Erziehungsberechtigte besser befähigen, Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Einflüssen zu schützen (§ 14 Abs. 2 SGB VIII). Dass der erzieherische Kinderschutz zwar in § 14 SGB VIII, jedoch nicht in § 27 Abs. 1 Nr. 1 aufgeführt wird, beruht auf einem Redaktionsversehen. Im Gesetzgebungsverfahren zu § 14 SGB VIII wurde insoweit die Terminologie geändert, ohne dies bei § 27 SGB I zu berüc...