Rz. 3
Die Anknüpfung der Geltung der Vorschriften des SGB an das Territorialitätsprinzip geht auf den völkerrechtlichen Grundsatz zurück, dass jeder Staat Rechtsetzungs- und Hoheitsgewalt nur auf seinem Territorium besitzt. Dieser räumliche Herrschaftsbereich ("Geltungsbereich") wird in der Vorschrift, das Gebiet der BRD nach der Wiedervereinigung umfassend, als gegeben unterstellt. Dies ist mit dem Begriff des Inlands (z. B. in § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) identisch. Für den Bereich der Sozialversicherung erstreckt sich der Geltungsbereich auch auf unter Bundesflagge fahrende Seeschiffe (vgl. §§ 11,13 SGB IV und Komm. dort).
Rz. 4
Die Bedeutung der Vorschrift liegt darin, dass die Geltung des Sozialrechts mit allen Rechten und auch Pflichten unabhängig von der Staatsbürgerschaft alle Personen mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt im Inland erfasst (Wohnsitzgrundsatz). Aus dem Territorialitätsgrundsatz folgt allerdings nicht, dass Sozialleistungen nur im Inland zu erbringen sind. Die VO (EG) 883/2004 sieht stattdessen in Art. 7 ausdrücklich vor, dass Sozialleistungen in Geld auch an Personen zu leisten sind, die ihren Wohnsitz nicht in dem Mitgliedsstaat haben, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Regelungen zur Zahlung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ins Ausland finden sich in §§ 110 bis 114 SGB VI, die Zahlung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ins Ausland ist grundsätzlich nicht beschränkt (§ 97 Nr. 1 SGB VII). Lohnersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit setzen Verfügbarkeit voraus (vgl. dazu Art. 64 VO (EG) 883/2004).
Rz. 4a
Nach verfassungskonformer Auslegung des § 30 Abs. 1 steht der grenznahe Auslandswohnsitz dem Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer zuvor im Inland wohnhaft und beitragspflichtig war und die übrigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerfG, Beschluss v. 30.12.1999, 1 BvR 809/95). Diese Leistungspflicht besteht auch dann, wenn erst nach Entstehen des Leistungsanspruchs ein ausländischer Wohnsitz begründet wird (BSG, Urteil v. 7.10.2009, B 11 AL 25/08 R). Dies gilt aber nicht, wenn ein Leistungsanspruch aus dem koordinierenden europäischen Sozialrecht in einem anderen EU-Mitgliedstaat besteht (BSG, Urteil v. 12.12.2017, B 11 AL 21/16).
Rz. 5
Der Grundsatz der Geltung des SGB für alle Personen im Inland schließt jedoch nicht aus, dass nach § 37 vorgehende Vorschriften der besonderen Bücher des SGB für Leistungsansprüche zusätzliche materielle Rechtsvorschriften weitergehende Voraussetzungen verlangen (z. B. deutsche Staatsangehörigkeit) oder die Anwendung der Vorschriften auch auf im Ausland befindliche Personen erstreckt wird.