2.1 Sozialleistungen
Rz. 5
Die Vorschrift regelt inhaltlich nur den Rechts- oder Ermessensanspruch auf Sozialleistungen. Dies sind die Ansprüche auf Dienst-, Sach- oder Geldleistungen nach § 11, die in Verbindung mit den einzelnen Gesetzbüchern der Verwirklichung der in §§ 3 ff. geregelten Rechte dienen.
Rz. 6
Außerhalb des SGB geregelte Ansprüche sind auch dann keine Sozialleistungsansprüche i. S. v. § 38, wenn sie gleiche oder ähnliche Leistungen vorsehen (z. B. im Bundesentschädigungsgesetz, Lastenausgleichsgesetz). Diese unterliegen daher nicht unmittelbar den §§ 38 ff., was jedoch einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen nicht ausschließt.
Rz. 7
Die in § 38 enthaltene Begrenzung der Rechtsansprüche auf Sozialleistungen schließt jedoch nicht aus, auch andere Ansprüche, Rechtspositionen oder Gestaltungsrechte im Geltungsbereich des SGB als subjektive Rechte anzusehen. Die Ansprüche auf Erstattung von Beiträgen oder die Gewährung von Akteneinsicht, die Erstattungsansprüche der Versicherungsträger untereinander oder gegenüber Dritten, der Anspruch auf das Unterlassen einer rechtsbeeinträchtigenden Handlung oder das Recht auf Befreiung von Versicherungspflichten oder der Zugang zur freiwilligen Versicherung oder Pflichtversicherung setzen notwendigerweise ein entsprechendes, auch gerichtlich durchsetzbares subjektives Recht voraus. Es bedarf dazu jedoch nicht des Rückgriffs und der entsprechenden Anwendung des § 38, um auch solche Ansprüche als zwingende Rechtsansprüche anzusehen.
Rz. 8
Die Beschränkung des Rechtsanspruchs auf Sozialleistungen i. S. d. SGB bedeutet aber andererseits auch, dass Vorschriften in den Sozialgesetzbüchern einen Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten der Leistungsträger auch ausschließen und einen Rechtsanspruch ausdrücklich verneinen können (z. B. § 109 Abs. 2, § 121a Abs. 3 SGB V für den Abschluss von Verträgen). Dies folgt auch aus dem Vorbehalt für abweichende Regelungen nach § 37.
2.2 Rechtsanspruch
Rz. 9
Unter einem Anspruch ist, wie in § 194 Abs. 1 BGB, das Recht auf ein Tun oder Unterlassen eines Dritten zu verstehen, also der durchsetzbare Rechtsanspruch. Wenn und soweit der Anspruch besteht, besteht auch das subjektive Recht des Berechtigten gegenüber dem dafür zuständigen Sozialleistungsträger (§ 12), die Erfüllung dessen, was das Gesetz als Leistungsanspruch vorsieht, verlangen zu können.
Rz. 10
Mit der ausdrücklichen Normierung der Sozialleistungsansprüche als Rechtsansprüche verbietet sich die Annahme, die Leistungen seien lediglich ein Rechtsreflex der öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Leistungsträger (BVerwG, Urteil v. 24.6.1954, V C 78.54). Dies war zuvor nämlich für den Bereich der Fürsorgeleistungen, die dem Polizei- und Ordnungsrecht zugehörten, angenommen worden, weil die Hilfeleistungen primär zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, nicht jedoch dem Interesse des Bedürftigen dienten.
Rz. 11
Vor dem Hintergrund, dass ohnehin von einem Rechtsanspruch auf Leistungen ausgegangen wurde, liegt die Bedeutung der Vorschrift in der Abgrenzung zur Ermessensleistung. Diese bleibt einerseits ("soweit") auch nach den besonderen Teilen des SGB möglich. Andererseits muss die Ermessensleistung als Ausnahme vom Anspruchsgrundsatz jedoch ausdrücklich für den zur Leistung verpflichteten Sozialleistungsträger vorgesehen sein, was nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/868 S. 29) bedeuten soll, dass im Zweifel von einem Rechtsanspruch auszugehen ist.
Rz. 12
Aber auch bei Ermessensleistungen ist der potentiell daraus Berechtigte nicht ohne "Anspruch". Er hat mindestens den auch gerichtlich überprüfbaren (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens nach § 39 Satz 2 (vgl. Komm. zu § 39). Entscheidend ist aber auch für Ermessensentscheidungen, dass § 38 davon nur solche "über die Sozialleistung" erfasst. Nicht unter § 38 fällt daher das Handlungsermessen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und bei der Leistungsgewährung/-erfüllung (z. B. hinsichtlich Art und Umfang; § 26 Abs. 5 SGB VII). Zur Abgrenzung vgl. Komm. zu § 39.
2.2.1 Einzelanspruch
Rz. 13
Unter Anspruch nach § 38 ist nur der Einzelanspruch als einmaliges oder laufendes Forderungsrecht für eine konkrete Sach-, Dienst- oder Geldleistung zu verstehen. Die Vorschriften des 2. Titels zielen auf die Erfüllung der Sozialleistungsansprüche ab (vgl. Vorbem. zu §§ 38 ff.). Sie setzen das Bestehen des konkreten Leistungsanspruchs nach den materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen der besonderen Bücher (§ 2 Abs. 1 Satz 2), den gesetzlichen Tatbestand für das Entstehen nach § 40, voraus. Unter Anspruch ist ein materiell-rechtlicher Anspruch auf eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung und nicht nur ein Verfahrensanspruch auf Bescheidung zu verstehen.
Rz. 13a
Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass dieser einem bestimmten Berechtigten zugeordnet werden kann, ein bestimmter Sozialleistungsträger als Verpflichteter feststeht und die Leistung, also das Forderungsrecht inhaltlich feststeht und bestimmt ist.
Rz. 13b
Nur daraus ist auch verständlich, dass § 54 Abs. 4 SGG ...