Rz. 2
Die Regelung des Abs. 1 macht das Entstehen der Ansprüche auf Sozialleistungen allein von der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands, den der Sozialleistungsanspruch des § 11 voraussetzt, abhängig. Dies entspricht in Ergänzung und als Folge des § 38 dem Rechtsanspruch als Rechtsfolge eines gesetzlich vorgegebenen Tatbestands. Insbesondere wird damit klargestellt, dass jedenfalls Rechtsansprüche auf eine konkrete Sozialleistung nicht von einer vorherigen Verwaltungsentscheidung abhängig sind.
Rz. 3
Für Ermessensleistungen, auf die kein unmittelbarer konkreter Rechtsanspruch auf eine bestimmte Leistung besteht, regelt Abs. 2 das Entstehen des Leistungsanspruchs mit der Bekanntgabe des den Einzelanspruch zubilligenden Bescheids, soweit dieser nicht selbst das Entstehen für einen späteren Zeitpunkt vorsieht.
Rz. 4
Die Regelung ist in BT-Drs. 7/868 S. 29 daher wie folgt begründet worden: "Da die gesetzlich vorgesehenen Sozialleistungen in aller Regel durch eine Entscheidung des Leistungsträgers für den Einzelfall konkretisiert werden müssen, kann zweifelhaft sein, ob der Anspruch auf eine bestimmte Leistung erst mit der Verwaltungsentscheidung oder schon vorher entstanden ist. Diese Frage erlangt in mehrfacher Hinsicht praktische Bedeutung (vgl. z. B. §§ 41 und 45). Absatz 1 zieht aus dem Grundsatz des Rechtsanspruchs auf Sozialleistungen die Folgerung, dass der Anspruch unabhängig davon, wann die Verwaltung tätig wird, entsteht, sobald seine im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bei Ermessensleistungen ist zu beachten, dass die Ausübung des Ermessens oft schwierige Ermittlungen und Bewertungen nötig macht, so dass vielfach nicht feststellbar ist, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen vorgelegen haben. Deshalb bestimmt Absatz 2, dass bei solchen Leistungen der Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung maßgebend ist, es sei denn, dass in dieser Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist. Damit wird keine Regelung getroffen, ob und für welche Zeit Sozialleistungen zu erbringen sind."
Rz. 5
Die Regelung hatte keine Vorläufervorschrift, stellt jedoch keine grundsätzliche Neuerung dar. Der Große Senat des BSG (Beschluss v. 21.12.1971, GS 4/ 71) hatte bereits zuvor, im Zusammenhang mit dem damaligen § 29 Abs. 3 RVO, der für den Verjährungsbeginn auf die Fälligkeit eines Anspruchs abstellte, auf die entsprechende Anwendung des § 271 BGB verwiesen, wonach die Fälligkeit in dem Zeitpunkt gegeben ist, in dem die Möglichkeit zu sofortiger Geltendmachung des Anspruchs beim Versicherungsträger besteht, d. h. in dem auch der Anspruch entstanden ist.
Rz. 6
Die Regelung über das Entstehen von Leistungsansprüchen hat insbesondere Bedeutung für die Fälligkeit (§ 41), die Verjährung (§ 45) und die Verzinsung (§ 44) sowie die Auf- und Verrechnung (§§ 51, 52) und den Übergang auf Rechtsnachfolger oder die Vererbung (§§ 56 ff.). Auf kraft Gesetzes entstandene Ansprüche kommt es auch für dafür zu erbringende Vorschüsse (§ 42) und vorläufige Leistungen (§ 43) an. Besondere Bedeutung kommt dem Entstehen von Ansprüchen auch im Verhältnis der verschiedenen Leistungsträger für gegenseitige Erstattungsansprüche untereinander (vgl. §§ 102 ff. SGB X) im Hinblick auf die Ausschlussfrist des § 111 SGB X zu.
Rz. 7
Da die Vorschrift unter den Vorbehalt für abweichende Regelungen fällt (§ 37), kann sich aus den besonderen Büchern ein anderer Zeitpunkt für das Entstehen der Ansprüche ergeben (Spellbrink, in: KassKomm. SGB I, § 40 Rz. 2, Stand: Dezember 2018).