Rz. 8
Die Leistungsträger sind nicht gesetzlich verpflichtet, vor der endgültigen Feststellung der Höhe der Geldleistung Vorschüsse zu zahlen. Dies entspricht dem Vorbehalt des Gesetzes nach § 31 auch für die Leistungsgewährung und dem Grundsatz, dass Leistungen dem Grunde und der Höhe nach erst dann festzusetzen oder zu erbringen sind, wenn sie vollständig ermittelt sind (BSG, Urteil v. 28.6.1990, 4 RA 57/89, BSGE 67 S. 104).
Rz. 9
Der Sozialleistungsträger ist jedoch berechtigt, als Kann-Leistung von sich aus Vorschüsse zu erbringen. Ob er diese erbringt, ist einerseits davon abhängig, ob die endgültige Festsetzung voraussichtlich noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird, und andererseits von der Art des Anspruchs sowie der wirtschaftlichen Bedarfslage des Berechtigten.
Rz. 10
Für die Frage der notwendigen längeren Zeit bis zur Feststellung der endgültigen Leistungshöhe lassen sich feste zeitliche Grenzen nicht ziehen. Hierfür wird man auf die typische durchschnittliche Bearbeitungsdauer abstellen müssen. Selbst bei schwierigen Sachverhalten mit noch umfangreichen Ermittlungen wird man längstens einen Zeitraum von 6 Monaten ohne Vorschusszahlung akzeptieren können. In der Rentenversicherung wird als Bearbeitungszeit ein Zeitraum von 4 Monaten als üblich angesehen. Die Gründe für die längere Bearbeitungszeit sind grundsätzlich unerheblich. Setzt jedoch der Betroffene durch die Nichtvorlage von Unterlagen oder Nachweisen die Ursache für die nicht mögliche abschließende Entscheidung, kann dies bei der Vorschussgewährung nach Ermessen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu seinen Lasten gehen.
Rz. 11
Ob gegebenenfalls auch schon vor Ablauf einer angemessenen Zeit der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer ein Vorschuss zu leisten ist, hängt von der Art der Leistung ab. Handelt es sich um typische Leistungen zum Lebensunterhalt, wird man im Regelfall davon ausgehen müssen, dass auch ein Vorschuss zum Lebensunterhalt benötigt wird. Ist jedoch feststellbar, dass der Berechtigte wegen anderweitiger Zahlungen oder Vermögen nicht auf die Vorschusszahlung angewiesen ist, kann auch von der Vorschusszahlung abgesehen werden (so auch BT-Drs. 7/868 S. 29).
Rz. 12
Insbesondere wird von einer Vorschusszahlung dann abzusehen sein, wenn der Berechtigte dadurch eine höhere Leistung nicht mehr erhielte. Dies kann und wird im Regelfall bei einer Anrechnung von als Vorschuss erbrachten Renten wegen Erwerbsminderung gegenüber einem höheren Krankengeldanspruch der Fall sein.
Rz. 13
Andererseits hat die Behörde darauf zu achten, dass die Vorschussleistung im Ergebnis nach Möglichkeit nicht zu einer materiell unrechtmäßigen Leistungsgewährung führt, weil die Rückforderung wegen sonst höheren Sozialhilfebedarfs in der Vergangenheit zumeist ausgeschlossen ist (BSG, Urteil v. 27.2.1996, 10 RKg 18/95, NZS 1996 S. 587).
Rz. 14
Die Höhe des Vorschusses oder der laufenden Vorschüsse hat der Sozialleistungsträger ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Dabei wird sich der verpflichtete Träger an der nach dem bisher bekannten Sachverhalt voraussichtlichen Anspruchshöhe zu orientieren haben, wobei jedoch ein gewisser Sicherheitseinbehalt zulässig ist. Auch hier ist die evtl. später ausgeschlossene Rückforderung überzahlter Vorschüsse wegen eines Sozialhilfebedarfs, der für die Vergangenheit nicht mehr zu erbringen ist, zu berücksichtigen.
Rz. 15
Neben der Höhe des Vorschusses hat der Leistungsträger auch darüber zu entscheiden, ob er monatlich laufende Vorschüsse oder einmalige Vorschussleistungen auf eine später laufend zu zahlende Sozialleistung gewährt oder Abschlagszahlungen auf einmalige Geldleistungen vornimmt.