2.2.1 Verpflichteter Träger
Rz. 12
Zur Vorleistung bei Zuständigkeitsunklarheiten zuständig und verpflichtet ist der Träger, der von dem Berechtigten oder seinem Vertreter mündlich oder schriftlich zuerst um die Leistung angegangen wurde. Das ist der Leistungsträger, der zuerst mit dem Leistungsbegehren befasst wird, d. h. dem gegenüber der Bedarf und der Erfüllungsanspruch erstmals geltend gemacht wurde (BVerwG, Urteil v. 19.11.1992, 5 C 33/90). Ist der Anspruch gegenüber einem Träger geltend gemacht worden, kann der Berechtigte jedenfalls wegen der Vorleistung nicht den anderen Träger in Anspruch nehmen. Ihm bleibt jedoch unbenommen, den konkreten Leistungsantrag auf die Sozialleistung zurückzunehmen und bei einem anderen Leistungsträger anzubringen.
Rz. 13
Kein Leistungsbedarf wird geltend gemacht, wenn lediglich eine Auskunft über mögliche Leistungsansprüche oder den dafür zuständigen Träger (§ 15 Abs. 2) eingeholt wird.
Rz. 14
Das Vorleistungsrecht oder die -pflicht besteht nicht gegenüber dem "zuerst" angegangenen Träger, wenn dieser die begehrte Leistung nach seinem Leistungskatalog gar nicht erbringen kann und darf. Dann kann der geltend gemachte Anspruch aus sachlichen Gründen abgelehnt werden. Diese Entscheidung berührt den Anspruch auf Sozialleistungen gegenüber einem oder mehrerer anderen (zuständigen) Sozialleistungsträger nicht.
2.2.2 Vorleistung nach Ermessen
Rz. 15
Der zuerst angegangene Träger ist nach seinem Ermessen berechtigt, vorläufige Leistungen zu erbringen, auch und insbesondere dann, wenn er einen anderen Träger für zuständig hält. Das bedeutet für seine Ermessensentscheidung, dass er (seiner Rechtsauffassung nach) im Ergebnis mit seiner Entscheidung über vorläufige Leistungen einen anderen Träger auch zur endgültigen Leistung im Wege der Erstattung (§ 102 SGB X) verpflichtet. Der vorleistende Träger trägt bei der vorläufigen Leistungsgewährung für einen vermeintlich anderen Träger allerdings das Risiko, dass in einem Erstattungsstreit die Zuständigkeit des anderen Trägers verneint wird. Der vorleistende Träger hat jedoch keinen Erstattungsanspruch, wenn der zuständige Träger es zuvor abgelehnt hatte, diese Hilfeleistung zu gewähren, weil er die Voraussetzungen für die Leistung nicht für gegeben erachtete (vgl. BVerwG, Urteil v. 5.8.1982, 5 C 102/81).
Rz. 16
Im Verhältnis zum Berechtigten ist die Ermessensentscheidung auch über die Höhe der Vorschussgewährung danach auszurichten, inwieweit die Art des Anspruchs ein Abwarten der Leistungserbringung bis zur Klärung des Zuständigkeitsstreits zulässt. Handelt es sich um nicht aufschiebbare Leistungen (z. B. Heilbehandlung, Pflegesachleistungen), wird zumeist nur eine unverzügliche vorläufige Leistungsgewährung in Betracht kommen. Handelt es sich um eine Geldleistung, sind für die Ermessensentscheidung die auch beim Vorschuss anzuwendenden Ermessenserwägungen heranzuziehen (vgl. Komm. zu § 42).
2.2.3 Vorleistungspflicht auf Antrag
Rz. 17
Stellt der Berechtigte einen Antrag auf vorläufige Leistungen, entsteht die Pflicht zur Gewährung der vorläufigen Leistung als Anspruchsleistung. Mit dem Antrag verbunden ist der nach Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Beginn der vorläufigen Leistung ab dem Ablauf des Kalendermonats nach Eingang des Antrags.
Rz. 18
Über diesen Antrag auf die vorläufige Leistungsgewährung ist im Regelfall durch Verwaltungsakt zu entscheiden, der die Entscheidung nur über die Vorläufigkeit des Anspruchs deutlich zum Ausdruck bringen sollte, um nicht als Entscheidung über den eigentlichen Sozialleistungsanspruch missverstanden zu werden. Der Verwaltungsakt kann auch befristet werden, um einer nur vorübergehenden Bedarfslage Rechnung zu tragen. Er erledigt sich nach § 39 Abs. 2 SGB X mit der Zubilligung der ursprünglich beantragten Sozialleistung.
Rz. 19
Wie beim Vorschuss nach § 42 wird mit dem Vorleistungsanspruch nicht zugleich über den zugrunde liegenden Sozialleistungsanspruch selbst entschieden (vgl. BSG, Urteil v. 24.10.1985, 2 RU 53/84). Insbesondere wird dadurch keine Zuständigkeit des vorleistenden Trägers für den Sozialleistungsanspruch anerkannt.
Rz. 20
Entsprechend der Vorläufigkeit der Entscheidung kann die Vorleistung eingestellt werden, wenn sich herausstellt, dass der Anspruch schon dem Grunde nach nicht bestand oder fortbesteht oder ein anderer Träger die Sozialleistung erbringt, weil er seine Zuständigkeit bejaht. Die Vorschriften der §§ 45 ff. SGB X über die Rücknahme von Verwaltungsakten gelten nicht.
2.2.4 Umfang der Vorleistungspflicht
Rz. 21
Unabhängig davon, ob die Vorleistung als Ermessens- oder Pflichtleistung erbracht wird, hat der dafür zuständige Träger auch über die Leistungshöhe nach seinem Ermessen zu entscheiden. Er ist nicht verpflichtet, für die Höhe der vorläufigen Leistung auf den Umfang seiner Leistungspflicht abzustellen, sondern kann auch auf die Höhe der Leistung eines anderen (zuständigen) Leistungsträgers abstellen; nicht zuletzt auch um Überzahlungen zu vermeiden.
Rz. 22
Nach § 102 Abs. 2 SGB X richtet sich der Erstattungsanspruch des vorleistenden Trägers grundsätzlich nach den für diesen geltenden Vorschriften. Dies bedeutet j...