Rz. 13

Weitere Voraussetzung für die Verzinsungspflicht ist nach Abs. 2 das Verstreichen eines zugunsten des Trägers eingeschobenen zinsfreien Zeitraumes von 6 Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags. Der Sinn und Zweck besteht darin, dem Leistungsträger diese Zeit für die Prüfung und Bearbeitung des Antrags und/oder für die technische Abwicklung der Auszahlung einzuräumen und von einer Zinsbelastung freizustellen.

 

Rz. 14

Damit wird der Verzinsungsbeginn hinausgeschoben, gerade wenn der maßgebende Fälligkeitszeitpunkt für die Sozialleistung vor Ablauf der Monatsfrist nach Abs. 1 liegt. Vor Ablauf der Frist von 6 Monaten besteht im Allgemeinen kein Anspruch auf Verzinsung, auch nicht auf dem Wege des sog. Herstellungsanspruchs, da die Regelung des § 44 abschließend ist (BSG, Urteil v. 1.3.1984, 4 RJ 55/83, SozR 1200 § 44 Nr. 11).

 

Rz. 15

Der früheste Zinsbeginn des Abs. 2 kommt in allen Fällen zur Anwendung, in denen ein Leistungsantrag tatsächlich gestellt wurde. Nicht maßgeblich ist es, ob der Antrag erforderlich oder deswegen entbehrlich war, weil die Leistung auch von Amts wegen zu erbringen war. Ein Leistungsantrag ist nicht vollständig im Sinne dieser Vorschrift, wenn die maßgeblichen Einkommensverhältnisse nicht nachgewiesen sind (ebenso BVerwG, Urteil v. 8.7.1982, 5 C 96/81, BVerwGE 66 S. 90). Ist ein Antrag materiell-rechtlich erforderlich, kann im Regelfall für die vorherige Zeit noch keine Fälligkeit eingetreten sein. Aber auch wenn ein materieller Antrag Rückwirkung hat (z. B. in der Rentenversicherung für 3 Monate, vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI oder die Umdeutung eines Antrags auf Rehabilitationsleistungen in einen Rentenantrag nach § 106 Abs. 2 SGB VI), verbleibt ein Bearbeitungszeitraum von 6 Monaten ab Antragseingang ohne Verzinsungspflicht.

 

Rz. 16

Nicht als Leistungsantrag gilt der Antrag auf Überprüfung und Rücknahme eines fehlerhaften Verwaltungsakts nach § 44 SGB X. In diesem Fall ist der ursprüngliche (ganz oder teilweise abgelehnte) Leistungsantrag maßgeblich und danach die Verzinsungspflicht nach Abs. 2 zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil v.17.11.1981, 9 RV 26/81, SozR 1200 § 44 Nr. 4; Baier, in: Krauskopf SozKV SGB I, § 44 Rz. 11, Stand: Januar 2003; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 44 Rz. 37, Stand: 22.6.2018; Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB I, 2. Aufl., § 44 Rz. 23; Lilge, SGB I, 4. Aufl., § 44 Rz. 22; wohl auch Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 44 Rz. 13; a. A. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.7.2010, L 10 R 2516/08, JurionRS 2010, 25211, und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.6.2013, L 20 SO 479/12, NZS 2013 S. 839, die für den Beginn auf den Antrag nach § 44 SGB X abstellen). Werden im Überprüfungsverfahren allerdings bisher nicht bekannte Tatsachen vorgetragen, die zu einer Änderung der früheren Entscheidung führen, liegt darin eine Vervollständigung des Antrags, der erst ab Antrag auf Überprüfung zur Verzinsung nach Maßgabe des Abs. 2 führen.

 

Rz. 17

Nicht schon der Leistungsantrag an sich, sondern erst der vollständige Antrag bewirkt den Beginn der Frist und den frühesten Beginn der Zinspflicht, dies gilt auch bei einer Umdeutung des Antrags auf Rehabilitation in einen Rentenantrag nach § 106 Abs. 2 SGB VI, für den die Unterlagen zu vervollständigen sind (vgl. BSG, Urteil v. 31.1.2008, B 13 R 17/07 R, SozR 4-1200 § 44 Nr. 3). Vollständig ist ein Antrag, wenn er alle Angaben enthält, die den Leistungsträger in den Stand setzen, den gesetzlichen Anspruch zu prüfen und festzustellen und die Leistung zu bewirken. Die Anforderungen an die Vollständigkeit des Antrags ergeben sich aus den materiellen gesetzlichen Vorschriften. Der Berechtigte muss im Rahmen des Zumutbaren an der Vervollständigung der Angaben mitwirken (§§ 60, 65), die rechtserheblichen Tatsachen angeben, Zustimmungserklärungen für Nachforschungen des Trägers erteilen, Änderungen der seinen ursprünglichen Angaben entsprechenden Verhältnisse von sich aus mitteilen und Beweismittel (Zeugen und Urkunden) bezeichnen; in seinem Besitz befindliche Beweismittel hat er vorzulegen. Solange er dies ohne zureichenden Grund (§ 65) unterlässt, ist der Antrag unvollständig.

 

Rz. 18

Sind (wie in der Unfallversicherung) Leistungen von Amts wegen zu erbringen, ist schon der Antrag oder die Mitteilung über den anspruchsauslösenden Tatbestand vollständig, die den Träger zu weiteren Ermittlungen veranlassen müssen (vgl. BSG, Urteil v. 11.8.1983, 5a RKnU 5/82, SozR 1200 § 44 Nr. 7 = BSGE 55 S. 238).

 

Rz. 19

Sind zur Feststellung der Leistung Mitteilungen und Entscheidungen eines ausländischen Versicherungsträgers bei der Feststellung des Anspruchs zu berücksichtigen, so beeinflusst deren verzögerter Eingang die Vollständigkeit des Leistungsantrags nicht (BSG, Urteil v. 18.12.1986, 4a RJ 83/85, USK 86233).

 

Rz. 20

Der vollständige Antrag muss beim zuständigen Leistungsträger eingegangen sein. Das kann an sich nur der Träger sein, der auch über den Antrag zu entscheiden hätte. Die Rechtsprechung hält es jedoch...

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