Rz. 17
Durch einen Verzicht sollen Dritte und andere Leistungsträger nicht belastet werden. Daher ordnet Abs. 2 die Unwirksamkeit eines solchen an sich wirksam erklärten Verzichts an, wenn dadurch bei Dritten unmittelbar belastende Auswirkungen eintreten.
Rz. 18
Eine solche nachteilige Wirkung kann insbesondere dann eintreten, wenn Dritte durch den Verzicht auf laufende Geldleistungen in stärkerem Maße oder für längere Zeit dem Verzichtenden gegenüber unterhalts- oder sonst leistungspflichtig würden (so BT-Drs. 7/868 S. 31) oder unterhaltsberechtigte Dritte dadurch keinen Unterhalt erhielten, weil sich durch den Verzicht die Unterhaltsfähigkeit des Sozialleistungsberechtigten verringerte. Die Unwirksamkeit des Verzichts ermöglicht in diesen Fällen, die Auszahlung der Leistung an Dritte im Rahmen von §§ 48 bis 50 oder aufgrund Überleitung oder Forderungsübergang. Der Leistungsträger muss nach Zugang der Verzichtserklärung jedoch nicht von Amts wegen nachforschen, ob möglicherweise außerhalb des Sozialrechts drittbelastende Wirkungen eintreten.
Rz. 19
Ausdrücklich genannt ist der Fall, dass durch den Verzicht ein Sozialleistungsträger nicht belastet werden darf. Das kann dann eintreten, wenn auf eine vorrangige Leistung verzichtet wird und dadurch der nachrangige Leistungsträger eintreten müsste, z. B. Verzicht auf Sozialversicherungsansprüche zulasten des Sozialhilfeträgers, Verzicht auf Rente zulasten der zur höheren Krankengeldzahlung verpflichteten Krankenkasse. Als ausdrückliche Ausnahme bestimmt § 8 Abs. 2 WoGG, dass auf andere Sozialleistungen, insbesondere nach dem SGB II und SGB XII, die die Unterkunftskosten umfassen, zugunsten von Wohngeld zulässigerweise verzichtet werden kann.
Rz. 20
Eine Umgehung von Rechtsvorschriften kann darin liegen, dass durch einen Teilverzicht auf Geldleistungsansprüche Einkommensgrenzen unterschritten werden sollen, um beitragsfrei Leistungen aus der Familienversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) zu erhalten oder unter die Härtefallregelung (§§ 61, 62 SGB V) zu fallen. Eine Umgehung von Rechtsvorschriften soll insbesondere dann vorliegen, wenn auf ungünstige Elemente bei der Rentenberechnung verzichtet werden soll, weil die Berechnung der Rente nach Beiträgen und Zeiten zwingend durch das Gesetz vorgeschrieben ist (vgl. BSG, Urteil v. 8.3.1979, 12 RK 32/78, SozSich 1979 S. 347; BSG, Urteil v. 29.10.2002, B 4 RA 6/02 R, SozR 3-2600 § 71 Nr. 3). Da hier allerdings über das Stammrecht zu entscheiden ist, ist § 46 nicht einschlägig und ein Verzicht könnte allenfalls die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfassen.
Rz. 21
Soweit verschiedene Sozialleistungen vom Bestehen oder Nichtbestehen anderer Ansprüche abhängig sind, muss für die Beurteilung der Unwirksamkeit des Verzichts wegen der dadurch eintretenden Belastung vorrangig geklärt werden, ob damit der Anspruch an sich (als gesetzlicher Tatbestand, Stammrecht) gemeint ist oder der tatsächliche Bezug dieser Leistung. Nur im letztgenannten Fall kann durch den Verzicht auf die eine Sozialleistung die andere Leistung entstehen (vgl. BSG, Urteil v. 12.12.1991, 7 RAr 24/91, SozR 3-4100 § 118 Nr. 3, jedoch bezogen auf die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts). Ruht ein Anspruch wegen eines bestehenden oder zuerkannten anderen Anspruchs unabhängig von der jeweiligen Leistungshöhe, muss davon ausgegangen werden, dass damit der Anspruch (als Stammrecht) an sich gemeint ist und damit eine Lastenverteilung zwischen den Leistungsträgern gewollt ist. Der Verzicht auf die Erfüllung berührt dann nicht den Anspruch an sich und dient dann der Umgehung dieser Lastenverteilung und führt im Regelfall auch zu einer Belastung des anderen Leistungsträgers.
Rz. 22
Nicht von Abs. 2 erfasst werden Verzichtserklärungen oder Erlassverträge, die nicht Sozialleistungen betreffen, z. B. arbeitsrechtliche oder beamtenrechtliche Ansprüche oder Verfahrensrechte. Andererseits schließt § 46 Abs. 2 die Unwirksamkeit eines Verzichts nach anderen Vorschriften nicht aus (z. B. § 3 Abs. 3 BVG, § 4 Abs. 4 TVG). Von § 46 Abs. 2 werden der Verzicht auf Verfahrensrechte (z. B. Anhörung, Schutz der Sozialdaten, vgl. Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 46 Rz. 6, Stand: Juli 2014) und insbesondere gerichtliche Vergleiche nicht erfasst (vgl. Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 46 Rz. 46 m. w. N., Stand: 6.3.2018).