2.2.1 Ehegatten-, Lebenspartner- oder Kindesunterhalt
Rz. 12
Voraussetzung für Abzweigung ist die Verletzung einer konkreten Pflicht zur Zahlung von Unterhalt an seine Angehörigen durch den Sozialleistungsberechtigten. Eine lediglich abstrakte, nur an das Bestehen der Ehe, der Lebenspartnerschaft oder an das Verwandtschaftsverhältnis anknüpfende gesetzliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber Ehegatten, Lebenspartner oder seinen Kindern reicht dafür nicht aus. Die Unterhaltspflicht richtet sich allein nach den Vorschriften des BGB.
Rz. 13
Ehegatte ist nur der aus der bestehenden Ehe. Lebenspartner sind nur die in § 33b genannten Personen gleichen Geschlechts (vgl. Komm. dort). Unter Berücksichtigung von § 34 können dies allerdings auch mehrere Personen sein. Für den geschiedenen oder früheren Ehegatten einer für nichtig erklärten Ehe oder den Lebenspartner nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft kann der Versicherungsträger keine Abzweigung vornehmen; dies selbst dann nicht, wenn dafür ein Unterhaltstitel vorliegt. Diese Personen und andere Unterhaltsberechtigte (Eltern, Großeltern nach § 1601 BGB, der Lebenspartner nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft) sind auf den Weg der gerichtlichen Pfändung der Sozialleistung auch zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche verwiesen.
Rz. 14
Bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen für Kinder fehlt eine Klarstellung, welcher Begriff des Kindes, der des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts oder der des § 56, zugrunde zu legen ist. Da Voraussetzung für die Abzweigung jedoch die Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Leistungsberechtigten gegenüber Kindern ist, ist auch im Unterhaltsrecht der zivilrechtlich maßgebende Kindbegriff anzuwenden (so auch Siefert, KassKomm., SGB I, § 48 Rz. 9, Stand: März 2016). Soweit andere als eigene Kinder des Berechtigten zur Abzweigung berechtigt sein sollen, wird dies durch Abs. 2 und die für andere Kinder Leistungen vorsehenden materiellen Vorschriften der besonderen Bücher bestimmt.
2.2.2 Gesetzliche Unterhaltspflicht
Rz. 15
Zur Abzweigung berechtigt nur die Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern, also der Unterhalt nach §§ 1360 ff., §§ 1601 ff. BGB; für Lebenspartner i. V. m. § 5 LPartG. Eine nur vertragliche Unterhaltsvereinbarung reicht daher nicht für eine Abzweigung, es sei denn, diese Vereinbarung konkretisierte lediglich die gesetzliche Unterhaltspflicht von Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern. Erforderlich ist eine konkrete Unterhaltspflicht, eine nur abstrakte Unterhaltspflicht wegen des Verwandtschaftsverhältnisses reicht nicht aus (so Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 48 Rz. 20; Lilge, SGB I, 4. Aufl., § 48 Rz. 21a; Siefert, KassKomm., SGB I, § 48 Rz. 17, Stand: März 2016; Voelzke/Didong, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 48 Rz. 14, Stand: 4.11.2016; BSG, Urteil v. 29.8.2002, B 11 AL 95/01 R, SozR 3-1200 § 48 Nr. 4). Dabei muss diese Unterhaltspflicht gerade auch auf einen Unterhalt in Geld gerichtet sein.
Rz. 16
Die gesetzliche Unterhaltspflicht setzt auf Seiten des Unterhaltspflichtigen Leistungsfähigkeit und beim Unterhaltsberechtigten Bedürftigkeit voraus. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann an sich nur durch einen auf dem Zivilrechtsweg erstrittenen aktuellen Unterhaltstitels festgestellt werden. Soweit ein solcher Unterhaltstitel besteht, wird durch diesen jedenfalls die gesetzliche Unterhaltspflicht und deren Umfang auch für die Abzweigung bestimmt und begrenzt (BSG, Urteil v. 17.9.1981, 4 RJ 105/80, SozR 1200 § 48 Nr. 3). Allerdings ist zu beachten, dass ein bestehender Unterhaltstitel keine Aussage dazu enthält, ob und in welchem Umfang dieser Anspruch durch den Leistungsberechtigten in der konkreten Situation auch erfüllt wird oder noch erfüllt werden muss, weil sich z. B. die Leistungsfähigkeit des grundsätzlich Unterhaltspflichtigen geändert hat, insbesondere auch durch den Bezug der Sozialleistung. Stimmt der Unterhaltstitel nicht mehr mit der konkreten wirtschaftlichen Situation überein, kann und hat der Sozialleistungsberechtigte dies im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend zu machen. Dies gilt auch für den abzweigungsberechtigten Ehegatten, Lebenspartner oder Kinder, wenn sie geltend machen wollen, dass die Höhe des titulierten Unterhaltsanspruchs zu gering sei.
Rz. 17
Soweit ein solcher Titel nicht besteht, ist der Sozialleistungsträger im Rahmen von § 48 oder das Sozialgericht im Sozialgerichtsverfahren über die Abzweigung verpflichtet, die gesetzliche Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des BGB zu ermitteln und zu prüfen (so auch Siefert, KassKomm., SGB I, § 48 Rz. 15, Stand: März 2016). Erst wenn diese Tatbestandsvoraussetzung des § 48 Abs. 1 erfüllt ist, hat der Leistungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über die Abzweigung zu entscheiden (BSG, Urteil v. 29.10.1987, 11b RAr 61/86, SozR 1200 § 48 Nr. 13 = Breithaupt 1988 S. 768).
Rz. 18
Die Verletzung der Unterhaltspflicht in Geld muss erheblich sein (BT-Drs. 7/868 S. 31), um die Abzweigung und Auszahlung der Ansprüche des Berechtigten an nach dem Sozialrechtsverhä...