Rz. 15

Zur Abzweigung berechtigt nur die Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern, also der Unterhalt nach §§ 1360 ff., §§ 1601 ff. BGB; für Lebenspartner i. V. m. § 5 LPartG. Eine nur vertragliche Unterhaltsvereinbarung reicht daher nicht für eine Abzweigung, es sei denn, diese Vereinbarung konkretisierte lediglich die gesetzliche Unterhaltspflicht von Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern. Erforderlich ist eine konkrete Unterhaltspflicht, eine nur abstrakte Unterhaltspflicht wegen des Verwandtschaftsverhältnisses reicht nicht aus (so Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 48 Rz. 20; Lilge, SGB I, 4. Aufl., § 48 Rz. 21a; Siefert, KassKomm., SGB I, § 48 Rz. 17, Stand: März 2016; Voelzke/Didong, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 48 Rz. 14, Stand: 4.11.2016; BSG, Urteil v. 29.8.2002, B 11 AL 95/01 R, SozR 3-1200 § 48 Nr. 4). Dabei muss diese Unterhaltspflicht gerade auch auf einen Unterhalt in Geld gerichtet sein.

 

Rz. 16

Die gesetzliche Unterhaltspflicht setzt auf Seiten des Unterhaltspflichtigen Leistungsfähigkeit und beim Unterhaltsberechtigten Bedürftigkeit voraus. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann an sich nur durch einen auf dem Zivilrechtsweg erstrittenen aktuellen Unterhaltstitels festgestellt werden. Soweit ein solcher Unterhaltstitel besteht, wird durch diesen jedenfalls die gesetzliche Unterhaltspflicht und deren Umfang auch für die Abzweigung bestimmt und begrenzt (BSG, Urteil v. 17.9.1981, 4 RJ 105/80, SozR 1200 § 48 Nr. 3). Allerdings ist zu beachten, dass ein bestehender Unterhaltstitel keine Aussage dazu enthält, ob und in welchem Umfang dieser Anspruch durch den Leistungsberechtigten in der konkreten Situation auch erfüllt wird oder noch erfüllt werden muss, weil sich z. B. die Leistungsfähigkeit des grundsätzlich Unterhaltspflichtigen geändert hat, insbesondere auch durch den Bezug der Sozialleistung. Stimmt der Unterhaltstitel nicht mehr mit der konkreten wirtschaftlichen Situation überein, kann und hat der Sozialleistungsberechtigte dies im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend zu machen. Dies gilt auch für den abzweigungsberechtigten Ehegatten, Lebenspartner oder Kinder, wenn sie geltend machen wollen, dass die Höhe des titulierten Unterhaltsanspruchs zu gering sei.

 

Rz. 17

Soweit ein solcher Titel nicht besteht, ist der Sozialleistungsträger im Rahmen von § 48 oder das Sozialgericht im Sozialgerichtsverfahren über die Abzweigung verpflichtet, die gesetzliche Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des BGB zu ermitteln und zu prüfen (so auch Siefert, KassKomm., SGB I, § 48 Rz. 15, Stand: März 2016). Erst wenn diese Tatbestandsvoraussetzung des § 48 Abs. 1 erfüllt ist, hat der Leistungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über die Abzweigung zu entscheiden (BSG, Urteil v. 29.10.1987, 11b RAr 61/86, SozR 1200 § 48 Nr. 13 = Breithaupt 1988 S. 768).

 

Rz. 18

Die Verletzung der Unterhaltspflicht in Geld muss erheblich sein (BT-Drs. 7/868 S. 31), um die Abzweigung und Auszahlung der Ansprüche des Berechtigten an nach dem Sozialrechtsverhältnis an sich nicht berechtigte Dritte zu rechtfertigen. Der Verpflichtete muss seiner Unterhaltsverpflichtung zumindest über eine gewisse Zeit nicht nachgekommen sein, und es muss daraus zu schließen sein, dass er dies auch künftig nicht tun wird. Eine lediglich einmalige Verletzung zur Zahlung des monatlichen Unterhaltsbetrages (§ 1361 Abs. 4, § 1612 BGB) oder nur die Verletzung des Unterhaltsanspruchs auf ein angemessenes Taschengeld ist nicht ausreichend. Ebenso kann der Leistungsträger von einer Abzweigung absehen, wenn nur ein geringer Geldbetrag abzweigbar wäre.

 

Rz. 19

Mindestvoraussetzung für einen Unterhaltsanspruch ist dessen vorherige Geltendmachung (§ 1613 BGB), die den Pflichtigen in Verzug setzt, oder die Rechtshängigkeit des Anspruchs. Dies ist daher bereits bei Geltendmachung der Abzweigung darzulegen und nachzuweisen. Unterhalt für die Vergangenheit kann über die Abzweigung nicht erreicht werden. Zumeist schon deshalb nicht, weil die Leistung an den materiell Berechtigten erbracht wurde und damit erfüllt und erloschen ist. Ein Antrag auf Abzweigung bewirkt keine Auszahlungssperre für den Sozialleistungsträger. Die Auffassung des BSG (Urteil v. 29.8.1984, 1 RJ 82/83, SozR 1200 § 48 Nr. 9; sowie BSG, Urteil v. 17.3.2009, B 14 AS 34/07 R, SozR 4-1200 § 48 Nr. 3), dass der vor der Auszahlung eingegangene Antrag oder die unrichtige Behandlung des Abzweigungsantrags noch eine Abzweigung für bereits ausgezahlte Ansprüche zuließe, würde zu einer gegenüber der bewilligten Leistung zu hohen Zahlung/Erfüllung führen, denn die vorherige Leistung an den Berechtigten könnte nicht als zu Unrecht erbracht zurückgefordert werden. Einer solchen Auslegung steht nicht nur § 31 entgegen, sondern auch die Regelung, dass bei Ermessensentscheidungen Ansprüche erst mit dieser Entscheidung entstehen. Daher kann, auch wenn die Abzweigung keinen eigenen Anspruch des Unterhaltsberechtigten, sondern nur die Übertragung...

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