Rz. 23

Stellt der Sozialleistungsträger eine Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht fest, können die laufenden Geldleistungen in angemessener Höhe an die Unterhaltsberechtigten ausgezahlt werden. Hierbei ist im Einzelnen umstritten, welche Bedeutung das "Können" einerseits und die "angemessene Höhe" andererseits haben oder ob das "Ermessen" des "Könnens" sich inhaltlich mit der "angemessenen Höhe" überschneidet, die angemessene Höhe ein unbestimmter Rechtsbegriff ist oder einen Beurteilungsspielraum (so BSG, Urteil v. 18.8.1983, 7 RAr 101/81, SozR 1200 § 48 Nr. 7; Voelzke/Didong, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 48 Rz. 15, Stand: 4.11.2016) beinhaltet.

 

Rz. 24

Ob der Sozialleistungsträger eine Abzweigung vornimmt und an Dritte, die nicht Anspruchsinhaber sind oder werden, Zahlungen leistet, entscheidet er im Rahmen seiner Entscheidungsbefugnis. Dazu gehört auch die Bestimmung des Zeitpunktes, ab dem die Abzweigung vorgenommen wird, was zumeist erst zum nächsten Fälligkeitstermin der Fall sein kann. Insbesondere in Fällen, in denen der Unterhaltsanspruch wegen Unbilligkeit (§ 1579 BGB) bestritten, die Höhe zwischen den Ehegatten umstritten und schon rechtshängig ist oder bei unzureichendem Leistungsanspruch eine Mangelverteilung stattfinden müsste, ist es nicht ermessensfehlerhaft, von einer Abzweigung abzusehen und die Beteiligten auf den dafür zuständigen Zivilrechtsweg zu verweisen.

 

Rz. 25

Die Auszahlung von Sozialleistungen an Dritte (nur) in angemessener Höhe trägt der Tatsache Rechnung, dass der Sozialleistungsträger zumeist nicht in der Lage und an sich nicht berechtigt ist, über die Höhe des gesetzlichen Unterhalts verbindlich zu entscheiden und letztlich lediglich eine pauschale Prüfung stattfinden kann. Daher ist im Ergebnis der Entscheidung des BSG (Urteil v. Urteil v. 18.8.1983, 7 RAr 101/81, BSGE 55 S. 245) zuzustimmen, dass die Festlegung der Höhe des abzuzweigenden Betrags dem Sozialleistungsträger einen Beurteilungsspielraum (Entscheidungsspielraum) belässt, der gerichtlich nicht voll überprüfbar ist.

 

Rz. 26

Daher ist der Sozialleistungsträger berechtigt, bei der Höhe der Auszahlung zu berücksichtigen, in welchem Umfang die Notwendigkeit zur Sicherstellung des laufenden Lebensunterhalts des Unterhaltsberechtigten erforderlich ist. Unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehaltes des Leistungsberechtigten kann vom verbleibenden Geldanspruch der abzuzweigende Betrag der Höhe nach zwischen den Werten der Düsseldorfer Tabelle und dem Betrag der notwendigen laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII liegen und festgesetzt werden. Beim Vorliegen eines Unterhaltstitels soll allerdings nur der notwendige Bedarf nach den Vorschriften des 3. und 11. Kapitels des SGB XII bzw. bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die entsprechenden Regelungen der §§ 19 ff. SGB II heranzuziehen sein (BSG, Urteil v. 17.3.2009, B 14 AS 34/07 R, SozR 4-1200 § 48 Nr. 3) und es soll Angelegenheit des Sozialleistungsberechtigten sein, einen nicht mehr angemessenen Unterhaltstitel nach § 323 ZPO ändern zu lassen.

2.3.1 Geldleistungen für Kinder (Abs. 1 Satz 2, 3)

 

Rz. 27

Satz 2 trifft eine Sonderregelung für den Betrag, der für Kinder abzweigbar ist, wenn der Berechtigte Leistungen erhält, die unter Berücksichtigung von Kindern höher festgesetzt wurden, z. B. Kindergeld, Kinderzulagen, Kinderzuschläge (§ 33b BVG; § 270 SGB VI und § 217 Abs. 3 SGB VII). Auch die höheren Leistungssätze beim Arbeitslosengeld bei Vorhandensein von Kindern (jetzt § 149 SGB III) stellen Leistungen für Kinder dar (BSG, Urteil v. 8.7.2009, B 11 AL 30/08 R, NZS 2010 S. 578). Damit wird die Sicherung des Unterhaltes der berücksichtigten Kinder gewährleistet, und es kommt dieser Vorteil nicht dem Leistungsberechtigten selbst zugute. Für Kindesunterhalt sind die entsprechenden Anteile an der Leistung abzweigbar.

 

Rz. 28

Durch die Bezugnahme auf § 54 Abs. 5 Satz 2 wird sichergestellt, dass für Kindergeld, aber auch bei anderen Leistungen, auf jedes Kind ein gleicher Anteil entfällt, und nicht nur die Kinder zu berücksichtigen sind, für die die Leistung auch der Höhe nach erbracht wird (Zahlkind). Damit wird auch die Abzweigung des Zählkindervorteils möglich, wenn dem Leistungsberechtigten dieser Vorteil zugutekommt (vgl. Komm. zu § 54).

 

Rz. 29

Für das Kindergeld (nach dem BKGG) macht Satz 3 eine Ausnahme von der Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht, indem auch dann an die Kinder ausgezahlt werden kann, wenn der Leistungsberechtigte und grundsätzlich Unterhaltspflichtige mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt zu zahlen hätte. Damit wird sichergestellt, dass das Kindergeld vollständig den Kindern zugutekommt, für die es gezahlt wird. Für das Kindergeld nach §§ 62 ff EStG enthält § 74 EStG eine entsprechende Regelung.

2.3.2 Auszahlung kinderbezogener Leistungen (Abs. 2)

 

Rz. 30

Die Regelung des Abs. 2 erweitert den Anwendungsbereich des Abs. 1 für die Tatbestände, in denen der Sozialleistungsberechtigte Kindern gegenüber nicht gesetzlich unterhaltspflichtig ist und demzufolge eine solche gesetzliche Unterhaltspflicht auch nicht verle...

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