Rz. 38

Die Vorschrift enthält keine verfahrensrechtlichen Bestimmungen darüber, wann, wie lange und mit welcher rechtlichen Wirkung die Entscheidung zur Auszahlung an Dritte (Auszahlungsanordnung) zu treffen ist. § 1262 Abs. 8 RVO, als eine der Vorläufervorschriften, sah für die Auszahlung von Kinderzuschüssen an Unterhalt gewährende Dritte die Zustimmung des Berechtigten oder die Ersetzung der Zustimmung durch das (Bundes-)Versicherungsamt vor, ging also vom Einverständnis dieses Erfüllungsweges aus. Dies dürfte auch der Grund für die Ermächtigung des Leistungsträgers bei Auszahlung an Dritte sein.

 

Rz. 39

Damit der Sozialleistungsträger überhaupt Kenntnis von einer Verletzung der Unterhaltspflicht erhält, wird die Abzweigung nur auf Antrag der Abzweigungsberechtigten (Ehegatten, Lebenspartner, Kinder oder Dritte) erfolgen können (so auch BSG, Urteil v. 12.5.1982, 7 RAr 20/81, BSGE 53 S. 260). Da nunmehr den Datenschutzvorschriften auch Vorrang vor der Amtsermittlung eingeräumt ist (vgl. Komm. zu § 37) und die datenschutzrechtlichen Vorschriften keine ausdrückliche Regelung zur Erhebung von Daten für Unterhaltsansprüche von Amts wegen vorsehen, dürfte die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zum Zwecke der Abzweigung von Amts wegen nicht mehr in Betracht kommen.

 

Rz. 40

Vor der Auszahlung der Leistung an andere als den Anspruchsinhaber ist diesem Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies ist schon deswegen erforderlich, weil Unterhaltspflichten des BGB im streitigen Verfahren zu klären sind. Der Leistungsträger verfügt dafür aber nur über die Kenntnis der eigenen Leistung und dessen Höhe und nicht immer auch über Kenntnis von allen Unterhaltsberechtigten. Er muss daher nicht nur andere Einkünfte beim Leistungspflichtigen erfragen, sondern diesem auch die Möglichkeit einräumen, die gegen die Unterhaltsberechtigung der Antragsteller oder Unterhaltsverletzung sprechenden Gründe vorzutragen oder evtl. selbst die Auszahlung an Dritte zu verlangen.

 

Rz. 41

Ob die "Entscheidung" zur Zahlung an Dritte ein Verwaltungsakt (so z. B. BSG, Urteil v. 13.5.1987, 7 RAr 13/86, SozR 1200 § 48 Nr. 11) im Ermessen des Leistungsträgers ist oder die Auszahlungsanordnung in dieser Form zu treffen ist, ist zweifelhaft, wird von Rechtsprechung und Literatur jedoch überwiegend angenommen (vgl. statt aller: Baier, in: Krauskopf, SozKV, SGB I, § 48 Rz. 27, Stand: Oktober 2014; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 48 Rz. 5; Siefert, in: KassKomm. SGB I, § 48 Rz. 25, Stand: März 2016). Ähnlich wie bei der Aufrechnung (vgl. Komm. zu § 51) wird man das "können" eher als "Ermächtigungs-Kann" (vgl. BSG, Urteil v. 24.7.2003, B 4 RA 60/02 R, SozR 4-1200 § 52 Nr. 1) ansehen müssen, denn die Vorschrift enthält keine Ermächtigung zu einer hoheitlichen Regelung durch Verwaltungsakt, sondern lediglich die Befugnis zur Auszahlung eines Teils des Leistungsanspruchs an Dritte mit befreiender Wirkung. Die Auszahlung an Dritte lässt den Anspruch i. S. v. § 38 dem Grunde und der gesetzlichen Höhe nach jedoch unberührt. Der Dritte wird durch die Auszahlungsanordnung auch nicht Inhaber des Sozialleistungsanspruchs oder i. S. v. § 39 Inhaber einer eigenen Ermessensleistung. Der sozialrechtliche Leistungsanspruch bleibt als solcher von der Abzweigung unberührt (vgl. BSG, Urteil v. 18.3.1999, B 14 KG 6/97 R, BSGE 84 S. 16). Lediglich unter Abweichung von § 47 wird an Dritte, einer Pfändung ähnlich, als Empfangsberechtigte gezahlt, was einerseits die wirksame Erfüllung des Anspruchs des Berechtigten durch den Leistungsträger bedeutet, andererseits aber zugunsten des Sozialleistungsberechtigten auch zur Erfüllung der Unterhaltspflicht oder zu zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen führt, wenn der Empfänger nicht unterhaltsberechtigt war. Daher ist zweifelhaft, ob die tatsächliche Auszahlung an Dritte einen belastenden Verwaltungsakt darstellt, der der vorherigen Anhörung nach § 24 SGB X bedarf (so z. B. Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 48 Rz. 5). Eine insgesamt belastende Wirkung käme der Abzweigung auch nicht zu, da im Gegenzug zur durchgeführten Abzweigung der Unterhaltsanspruch gegenüber dem Sozialleistungsberechtigten erfüllt wird und erlischt.

 

Rz. 42

Über die zivilrechtliche Unterhaltspflicht selbst wird im Rahmen des § 48 nicht entschieden, so dass Unterhaltsprozesse möglich bleiben. Der Abzweigungsempfänger muss die Zahlung als Leistung des zivilrechtlich Verpflichten im Unterhaltsprozess gegen sich gelten lassen und Überzahlungen erstatten. Die zu Unrecht erbrachte Zahlung auch an Abzweigungsberechtigte ist vom eigentlich Leistungsberechtigten zurückzufordern (BSG, Urteil v. 17.1.1991, 7 RAr 72/90, SozR 3-1300 § 50 Nr. 7). Die Abzweigung begründet daher für den Empfänger keinen eigenen ihn begünstigenden Anspruch im Sinne eines eigenen Forderungsrechts. Den Unterhaltsberechtigten steht als eigenes Recht nur der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch zu. Dieser kann nicht gegen den Sozialleistungsträger gerichtet sein und mit einer Anfechtungsklage gegen die Ablehnun...

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