Rz. 33
Der Umfang der Aufrechnung wird grundsätzlich durch die Höhe der gegenseitigen Ansprüche bestimmt. Der Sozialleistungsträger als Aufrechnender kann nur in Höhe der von ihm zu erbringenden Sozialleistungen und wird nur bis zur Höhe der bestehenden Gegenforderung aufrechnen, weil er nur in diesem Umfang die Erfüllung bewirken und verlangen kann. Der Sozialleistungsträger kann jedoch auch seine Leistung durch teilweise Aufrechnung und teilweise Erfüllung nach § 47 vollständig erbringen.
Rz. 34
Die Erfüllungswirkung der Aufrechnung tritt nur ein, soweit die Ansprüche zur Aufrechnung geeignet sich gegenüberstehen. Durch § 51 wird diese Eignung zur Aufrechnung durch die Pfändbarkeit (entsprechend § 394 BGB) bzw. die Grenzen des Abs. 2 bestimmt und gegenüber der zivilrechtlichen Aufrechnungsbefugnis beschränkt.
Rz. 35
Die Begrenzung der Aufrechnung nach Maßgabe des § 51 gilt jedoch nicht für den Sonderrechtsnachfolger (§ 57 Abs. 2 Satz 3). Ist ein Dritter durch Abtretung der Sozialleistung Inhaber der Forderung geworden und hat der Sozialleistungsträger diesem gegenüber einen Anspruch, besteht gegenüber diesem keine Begrenzung der Aufrechnung, denn der Dritte wird mit der Abtretung nicht zum Sozialleistungsberechtigten.
2.3.1 Aufrechnung nach Abs. 1
Rz. 36
Die Aufrechnungsbefugnis des Sozialleistungsträgers wird nach Abs. 1 durch die Pfändbarkeitsvoraussetzungen des § 54 Abs. 2 und 4 begrenzt. Der Verweis nur auf die Pfändbarkeit nach § 54 Abs. 2 und 4 bedeutet auch, dass mit unpfändbaren Ansprüchen nach § 54 Abs. 1 und 3 gar nicht aufgerechnet werden kann. Bei Ansprüchen für Kinder nach § 54 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 fehlt es schon an der Gegenseitigkeit.
Rz. 37
Im Rahmen von Abs. 1 sind daher bei der Aufrechnung mit einmaligen Geldleistungen die Billigkeitsgründe von § 54 Abs. 2 zu beachten, bei der Aufrechnung mit laufenden Geldleistungen nur die für Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsschutzbestimmungen (§ 54 Abs. 4 i.V.m. §§ 850c ff. ZPO). Die früher (in § 54 Abs. 3) auch dafür vorgesehene Billigkeitsprüfung ist mit dem 2. SGBÄndG v. 17.6.1994 (BGBl. I S. 1229) ausdrücklich aufgehoben worden, um Übereinstimmung mit dem Pfändungsrecht der ZPO herzustellen und Einzelfallentscheidungen zu vermeiden (zum Umfang der Pfändung vgl. Komm. zu § 54).
2.3.2 Aufrechnung nach Abs. 2
Rz. 38
Die Aufrechnungsmöglichkeit des Abs. 2 stellt eine Privilegierung und Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeit für die Sozialleistungsträger dar, indem die Aufrechnung gegen laufende Geldleistungen (vgl. dazu Komm. zu § 48) bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit oder Bedürftigkeit nach dem SGB II eröffnet wird, ohne dass es auf die Voraussetzungen des Abs. 1 und damit die Pfändbarkeit nach § 54 ankommt (BSG, Urteil v. 27.3.1996, 14 REg 10/95, BSGE 78 S. 132 = SozR 3-1200 § 51 Nr. 5).
Rz. 39
Diese Privilegierung besteht jedoch nur, wenn es sich bei der Forderung des Sozialleistungsträgers um Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen nach § 47 Abs. 2, § 50 SGB X oder vergleichbarer Vorschriften oder um Beitragsansprüche (§ 22 SGB IV, § 250 Abs. 2 SGB V, § 173 SGB VI) handelt. Der Grund der erweiterten Aufrechenbarkeit liegt darin, dass der Schuldner mit dieser Art von Gegenansprüchen aus finanziellen Interessen der jeweiligen Versichertengemeinschaft nicht seinerseits die volle Leistung verlangen darf, andererseits den Leistungsträger für dessen Ansprüche gegen ihn auf den Pfändungsschutz verweisen können soll. Die Vorschrift setzt das Bestehen von Erstattungs- und Beitragsansprüchen voraus. Bei Beitragsansprüchen ist die Frage des Beitragsschuldners im Hinblick auf die Gegenseitigkeit besonders sorgfältig zu klären. Fehlt die Gegenseitigkeit, kommt nur die Verrechnung (§ 52) im Umfang von Abs. 2 in Betracht.
Rz. 40
Mit der Anfügung des letzten Halbsatzes durch das Gesetz v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1469) ab dem 27.8.1980 wurde die Begrenzung der Aufrechnungsbefugnis durch sonst eintretende Hilfe zum Lebensunterhalt eingefügt, um zu vermeiden, dass wegen der Aufrechnung Sozialhilfebedürftigkeit entsteht und der Sozialhilfeträger wirtschaftlich für die Rückzahlung zu Unrecht gewährter Leistungen aufkommen müsste (so die Begründung in BT-Drs. 8/2034 S. 42). Da die Vorschrift bis dahin lediglich auf die Aufrechnung nach Zivilrecht verwies, das eine Begrenzung der Aufrechnungsmöglichkeit gar nicht enthält, und für das Sozialrecht lediglich die Begrenzung auf die Hälfte der Leistung galt, stellte diese zusätzlichen Begrenzung der Aufrechnungsbefugnis eine Gesetzesänderung dar, die es zuvor nicht gab (so BSG, Urteil v. 19.1.1978, 4 RJ 47/77, DAngVers 1978 S. 230 = SozR 1200 § 51 Nr. 3 = BSGE 45 S. 271). Daher kann der Auffassung des BSG (Urteil v. 18.12.1980, 8a RU 12/78, BSGE 51 S. 98) nicht gefolgt werden, dass die Rechtsänderung lediglich eine Klarstellung des schon bis dahin geltenden Rechts darstellte.
Rz. 40a
Nach der ab dem 27.8.1980 geltenden Rechtslage musste der Sozialleistungsträger vor der Aufrechnungserklärung von Amts wegen klären, ob ...