Rz. 19
Abs. 2 Nr. 1 sieht vor, dass Geldansprüche, also die noch nicht durch Erfüllung erloschenen Forderungen i. S. v. § 194 BGB, aus einem Sozialrechtsverhältnis auch wirksam übertragen oder verpfändet werden können, wenn dies zur Erfüllung oder zur Sicherung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen und auf Erstattung von Aufwendungen dient, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind.
Rz. 19a
Dafür ist unerheblich, ob es sich um laufende Geldleistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, oder sonstige einmalige Zahlungen handelt. Insbesondere fallen auch Nachzahlungen an sich laufend zu zahlender Geldleistungen, z. B. Rentennachzahlungen für zurückliegende Zeiten, unter die Regelung. Diese Abtretung ist unabhängig von den Voraussetzungen des Abs. 3 und kann daher auch an sich der Höhe nach unpfändbare Leistungen umfassen (vgl. BSG, Urteil v. 14.8.1984, 10 RKg 19/83, SozR 1200 § 53 Nr. 2). Ausgenommen sind davon jedoch solche Ansprüche auf Sozialleistungen, die nicht abgetreten oder verpfändet werden können (vgl. Rz. 12a), also Sozialhilfeansprüche (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) und grundsätzlich auch alle Ansprüche nach dem SGB II (§ 42 Abs. 4 Satz 1 SGB II). Die Unpfändbarkeit von Leistungen nach dem SGB II ist damit begründet worden (BT-Drs. 18/8041 S. 56), dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bisher gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen, d. h. nach Maßgabe der Vorschriften in den §§ 850c ff. ZPO, pfändbar seien. Mit der Änderung werde die Regelung zur Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Sozialhilfe (§ 17 Abs. 1 SGB XII) entsprechend auf das SGB II übertragen. Wie die Sozialhilfe dienten die Lebensunterhaltsleistungen nach dem SGB II – insbesondere Arbeitslosengeld II und Sozialgeld – der Sicherung des Existenzminimums und sollten daher bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben. Auch verwaltungsökonomische Gründe sprächen dafür, die SGB II-Leistungen als grundsätzlich unpfändbar auszugestalten. Für die Träger der Grundsicherung entfalle der Aufwand zur Ermittlung der pfändbaren Beträge nach den §§ 850c ff. ZPO. Dieser entstehe, auch wenn sich in aller Regel keine pfändbaren Beträge errechneten. Daher sei es sachgerecht, die Leistungen von vornherein als unpfändbar auszugestalten. Zusätzlich werde entsprechend der Regelung in § 17 Abs. 1 SGB XII der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als nicht übertragbar oder verpfändbar ausgestaltet. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahren wurde in § 42 Abs. 4 Satz 2 SGB II jedoch eine Rückausnahme für den Regelungsbereich des § 53 Abs. 2 gemacht. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8909 S. 34) ist dazu ausgeführt worden, dass der gänzliche Ausschluss der Übertragbarkeit/Abtretbarkeit von SGB II-Ansprüchen in bestimmten Fallgestaltungen, wie denen des Abs. 2 (der zur Begründung zitiert wurde), nicht sinnvoll sei und deshalb durch eine Rückausnahme eingeschränkt werden solle.
Rz. 19b
Die Vorschrift über die Zulässigkeit der Abtretung für Überbrückungsleistungen Dritter ohne betragsmäßige Untergrenze hat ihren Zweck einerseits in der Entlastung der Sozialhilfeträger von der Erbringung vorläufiger Leistungen, andererseits in der Erleichterung der Vorschussgewährung durch private Dritte (Arbeitgeber, Wohlfahrtsverbände), indem diesen durch die Abtretung ein zweckentsprechender Ausgleichsanspruch eingeräumt wird. Da Sozialhilfeansprüche nicht abgetreten oder verpfändet werden können (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), ist die Regelung des Abs. 2 Nr. 1 darauf nicht anwendbar (a.A. Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 53 Rz. 27); allerdings enthält § 25 SGB XII einen eigenständigen Erstattungsanspruch für Personen, die Leistungen erbracht haben, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären (vgl. Komm. zu § 26 SGB XII), so dass es der Abtretung der Sozialhilfeansprüche an diesen Dritten auch nicht mehr bedarf.
Rz. 19c
Für die Zulässigkeit der Abtretung von Ansprüchen nach dem SGB II ergeben sich allerdings (gerade für die Anwendung des Abs. 2 Nr. 1) rechtliche Probleme. Die Ansprüche nach dem SGB II werden zumeist für die Bedarfsgemeinschaft als solche in einem Bescheid bewilligt. Die Bedarfsgemeinschaft kann und wird im Regelfall auch mehrere Personen umfassen. Dementsprechend wird auch die Leistung nach dem SGB II für die Personen der Bedarfsgemeinschaft insgesamt berechnet (vgl. § 7 SGB II und Komm. dort). Die Gesamtleistung richtet und errechnet sich allerdings nach dem Bedarf der einzelnen Personen der Bedarfsgemeinschaft, setzt sich also aus mehreren Einzelansprüchen zusammen (vgl. BSG, Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R, BSGE 97 S. 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Da jedoch die Abtretung nach Abs. 2 nur für diesen Einzelanspruch erfolgen kann, muss dem Grunde nach von jedem einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, für das Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II ...