Rz. 43
Mit Art. 2 Nr. 4, 32 Abs. 1 des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes v. 21.3.2005 ist mit Wirkung zum 30.3.2005 der Abs. 6 angefügt worden. Danach sind in den Fällen, dass bei einer Übertragung oder Verpfändung Geldleistungen zu Unrecht erbracht worden sind, sowohl der Leistungsberechtigte als auch der neue Gläubiger (Zessionar) als Gesamtschuldner dem Leistungsträger zur Erstattung des entsprechenden Betrags verpflichtet. Der Leistungsträger hat diesen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Diese Regelung gilt für Geldleistungen, die nach dem 30.3.2005 erbracht werden, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Abtretung oder die Pfändung erfolgt war (vgl. Komm. zu § 71).
Rz. 44
Die Regelung in Satz 1 scheint mit der Formulierung "soweit bei" einen Zusammenhang zwischen Übertragung oder Verpfändung und der zu Unrecht erfolgten Geldleistung zu verlangen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr geht es bei der Regelung darum, in Fällen einer zu Unrecht bewilligten und zurückgeforderten Sozialleistung in Geld den Rückforderungsanspruch auch dann durchsetzen zu können, wenn infolge einer Abtretung, Verpfändung oder Pfändung ein Dritter die Geldleistung tatsächlich erhalten hatte. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4228 S. 25), in der ausgeführt ist, dass zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen, die nicht an den Leistungsberechtigten, sondern aufgrund einer Abtretung, Verpfändung oder Pfändung an einen neuen Gläubiger erbracht werden, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil v. 30.1.2002, B 5 RJ 26/01 R, SozR 3-1200 § 50 Nr. 25) vom neuen Gläubiger grundsätzlich nicht, auch nicht durch Verwaltungsakt, zurückgefordert werden können. Weil der Leistungsberechtigte selbst ist in diesen Fällen häufig nicht leistungsfähig sei, solle wie im Steuerrecht (§ 37 Abs. 2 AO) deshalb in den Fällen der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Sozialleistungen dem Leistungsträger ein Zugriffsrecht zwecks Rückforderung der im Rahmen einer solchen Maßnahme zu Unrecht erbrachten Sozialleistung durch Verwaltungsakt sowohl gegenüber dem Leistungsberechtigten als auch dem neuen Gläubiger eingeräumt werden. Die Rechtsgrundlage für die Erstattung durch den Leistungsberechtigten bleibt – wie bisher – § 50 SGB X. Maßgeblich für die Anwendung der Haftungsvorschrift ist daher allein die Tatsache, dass ein Sozialleistungsanspruch in Geld infolge einer Abtretung, Verpfändung oder Pfändung zu seiner Erfüllung ganz oder teilweise an einen Dritten ausgezahlt worden ist und sich später herausstellt, dass der Sozialleistungsanspruch nicht oder nicht in der erbrachten Höhe bestand und damit die Geldleistung zu Unrecht erfolgte. Die Regelung findet dann keine Anwendung, wenn eine Sozialleistung in Geld unmittelbar an einen Dritten erbracht wird, z. B. an den Vermieter nach § 22 SGB II (vgl. dazu SG Karlsruhe, Urteil v. 26.3.2010, S 17 AS 1435/09) oder nach § 26 Abs. 1 WoGG.
Rz. 45
Die Haftung des Empfängers einer aus einem Sozialrechtsverhältnis resultierenden Geldleistung in den Fällen der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erscheint nicht ganz plausibel. Werden Sozialleistungen in Geld verkehrsfähig gemacht, dann gehört dazu gerade die rechtliche Möglichkeit, dass der Sozialleistungsberechtigte über diese Leistungen verfügen und damit auch eine Zahlung unmittelbar an einen Dritten veranlassen kann, um z. B. damit seine Verbindlichkeiten zu erfüllen. Grundsätzlich unterscheidet sich dies daher nicht von der Situation, dass der Sozialleistungsberechtigte die Geldleistung selbst erhält und damit dann seine Verbindlichkeit erfüllt oder die Auszahlung auf das Konto eines Dritten verlangt (vgl. Komm. zu § 47). In diesem Fall bleibt nur der Sozialleistungsberechtigte zur Erstattung verpflichtet (§ 50 SGB X), wenn eine Geldleistung zu Unrecht bewilligt und gezahlt worden ist. Ob die allein auf zivilrechtlicher (Abtretung, Verpfändung) oder hoheitlicher (Pfändung) Maßnahme beruhende unmittelbare Zahlung an den Dritten es rechtfertigt, diesen im Falle der Rückforderung der Sozialleistung haften zu lassen, erscheint zweifelhaft.
Rz. 46
Die nunmehr vorgesehene Haftung dürfte jedenfalls dazu führen, das Sozialleistungen in Geld als Sicherheit und deren Abtretung als Sicherungsmittel für kreditierte Leistungen weitgehend entwertet werden, als gerade der zur Sicherung und Erfüllung der Forderung zur Verfügung stehende Betrag der pfändbaren Sozialleistung mit dem Risiko der Haftung belastet ist. Dies gilt dabei insbesondere auch für die Abtretung zur Sicherung einer Darlehensgewährung oder Erstattung von Aufwendungen zur Überbrückung bis zur Auszahlung einer Sozialleistung in den Fällen von Abs. 2 Nr. 1, weil der Zessionar in diesen Fällen nicht nur das zeitlich begrenzte und Fällen des Abs. 2 Nr. 2 das gesamte wirtschaftliche Risiko bis zur tatsächlichen Leistungsgewährung trägt, sondern auch das Risiko, dass die Sozialleistungsgewährung in der Folgezeit rechtlich Bestand haben wird.
Rz. 47
Die Re...