Rz. 51
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist und bleibt, auch wenn er zu Unrecht ergangen ist, so lange wirksam, bis er abgeändert wird (§ 836 Abs. 2 ZPO). Hieraus folgt für den Sozialleistungsträger, dass er zur Beachtung des Beschlusses verpflichtet ist. Die Abänderung kann auf Antrag des Schuldners oder Gläubigers erfolgen; auch ein Dritter, dem der Schuldner kraft Gesetzes Unterhalt zu gewähren hat, kann die Abänderung verlangen (§ 850g ZPO). Solange der Beschluss jedoch nicht geändert ist, kann der Sozialleistungsträger diesem mit befreiender Wirkung bei der Auszahlung folgen, bis ihm der neue Beschluss zugestellt ist (§ 850g Satz 3 ZPO). Die Zahlung an den Gläubiger bewirkt, dass im Umfang der Zahlung der Leistungsanspruch des Sozialleistungsberechtigten erfüllt ist.
Rz. 52
Der Rechtsschutz des Sozialleistungsempfängers richtet sich daher nach den Vorschriften der ZPO, und zwar sowohl in den Fällen der überhaupt zu Unrecht erfolgten Pfändung, als auch der der Höhe nach zu Unrecht erfolgten Pfändung. Hierzu stehen die nicht fristgebundene Erinnerung (§ 766 ZPO) oder die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) zur Verfügung. Daneben bleibt dem Sozialleistungsberechtigten die Möglichkeit, Änderungen des Pfändungsbeschlusses zu seinen Gunsten durch Anträge (§§ 850f, 850g ZPO) beim Vollstreckungsgericht zu erwirken. Einwendungen gegen den der Pfändung zugrunde liegende Anspruch sind mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen.
Rz. 53
Die Frage, ob der Sozialversicherungsträger als Drittschuldner berechtigt und ggf. sogar verpflichtet ist, Rechtsbehelfe gegen Pfändungsbeschlüsse einzulegen, ist umstritten. Teilweise wird angenommen, dass sich eine solche Verpflichtung hinsichtlich eines zu hohen Pfändungsbetrags aus §§ 14 und 17 ergibt und die Ausführung eines unzutreffenden Pfändungsbeschlusses sogar Amtshaftungsansprüche auslösen könne (so z. B. Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 41 unter Verweis auf Wolber, NJW 1980 S. 24; ähnlich Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 61). Derart pauschale Hinweise lassen allerdings außer Betracht, dass auch rechtsfehlerhafte Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse grundsätzlich zu beachten sind und bei deren Ausführung der Schuldner/Sozialleistungsberechtigte entsprechend der Zahlung an den Gläubiger von seiner Verbindlichkeit befreit wird, also kein Schaden entsteht. Daher hat es der Sozialleistungsberechtigte als Schuldner in der Hand, auch einen zu seinen Lasten gehenden Beschluss hinzunehmen, wie er auch eine an sich dem Grunde oder der Höhe nach unpfändbare Sozialleistung zur Befriedigung einer Forderung verwenden kann. Dem Sozialleistungsträger eine Verpflichtung dahingehend aufzuerlegen, für den Sozialleistungsberechtigten Rechtsbehelfe einzulegen, führte daher zu einer Bevormundung des Sozialleistungsberechtigten. Hinzu kommt, dass der Sozialleistungsträger in diesen Fällen Sozialdaten des Sozialleistungsberechtigten offenbaren müsste, der strikte Datenschutz nach § 35 i. V. m. §§ 67 ff. SGB X eine solche, über den Inhalt der Drittschuldnererklärung hinausgehende (§ 71 Abs. 1 Satz 2 SGB X), Offenbarungsbefugnis jedoch nicht vorsieht. Auch eine zulässige Offenbarung von Sozialdaten im vermeintlichen Interesse des Betroffenen kann nicht angenommen oder unterstellt werden; denn dieser kann durchaus ein Interesse daran haben, dass sein Gläubiger keine Kenntnis von seiner wirklichen wirtschaftlichen Lage erhält.
Rz. 54
Ungeachtet dessen kann der Sozialleistungsträger, wenn eine erkennbar unpfändbare Leistung gepfändet wurde, dies bei der Abgabe der Drittschuldnererklärung oder mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen. Desgleichen kann der Sozialleistungsträger, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, den Sozialleistungsberechtigten auf die Möglichkeit seines Antragsrechts zur Änderung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§ 850 f, 850g ZPO) hinweisen; denn diesen Antrag kann der Sozialleistungsträger nicht selbst stellen. Mit der Erinnerung kann der Sozialhilfeträger daher, schon weil er dabei Sozialdaten (Einkommensverhältnisse) unbefugt offenbaren würde, insbesondere nicht die Sozialhilfebedürftigkeit des Drittschuldners oder die Unbilligkeit der Pfändung gelten machen (a. A. offenbar Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 63).
Rz. 55
Solange der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Bestand hat und ein geänderter Beschluss nicht zugestellt ist, ist dieser vom Sozialleistungsträger allerdings insbesondere hinsichtlich des Zahlungsverbots (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu beachten und er kann mit befreiender Wirkung an den Pfändungsgläubiger leisten (§ 836 Abs. 2 ZPO). War aber nicht geleistet worden und ist der Pfändungsbeschluss rückwirkend aufgehoben worden, hat der Pfändungsgläubiger keinen Anspruch auf Zahlung an ihn für Leistungen, die in der Zeit zwischen der Zustellung bis zur Aufhebung des Beschlusses zu erbringen gewesen wären (BSG, Urteil v. 9.2.1984, 11 RA 10/83).