Rz. 11

Die Mitwirkungspflicht besteht nur auf Verlangen des Leistungsträgers. Der Leistungsträger hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Mitwirkungspflicht des Antragstellers bzw. Leistungsbeziehers festzustellen und aktenkundig zu machen. Er muss in der Lage sein, die Gründe für das Vorliegen der Mitwirkungspflicht darzulegen. Ein Verlangen i. S. d. § 63 muss der Leistungsträger gegenüber dem Betroffenen unter ausdrücklicher Berufung auf § 63 zum Ausdruck bringen. Bei Rehabilitationsmaßnahmen, die einen Antrag voraussetzen, tritt an die Stelle des Antrages das mit einer Leistungsbewilligung (ggf. auch nur dem Grunde nach) verbundene Angebot des Leistungsträgers als Verlangen.

 

Rz. 12

Der Leistungsträger darf die konkrete Maßnahme, den Ort der Durchführung sowie Beginn und Dauer bestimmen. Die Heilbehandlung ist je nach Leiden von einem Arzt oder einem Psychologen durchzuführen. Sollen ggf. Rechtsfolgen nach § 66 eintreten können, muss er sein Verlangen schriftlich gegenüber dem Betroffenen zum Ausdruck bringen und unmissverständlich, vollständig und richtig über die Rechtsfolgen belehren.

 

Rz. 13

Das Verlangen darf nur vom zuständigen Leistungsträger ausgesprochen werden. Das ist der Leistungsträger, der die Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung bzw. die Versagung der beantragten Leistung bzw. die Entziehung der bezogenen Leistung zu treffen hat. In Fällen eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Aufgabenübergang nach den §§ 88 ff. SGB X nimmt der Auftragnehmer die Aufgaben des zuständigen Leistungsträgers wahr.

 

Rz. 14

Die Mitwirkungspflicht setzt weiter voraus, dass zu erwarten ist, dass durch die Heilbehandlung eine Besserung des Gesundheitszustandes herbeigeführt oder eine Verschlechterung verhindert wird. Das ist nach dem Gesamtzusammenhang nicht der Gesundheitszustand schlechthin, sondern der leistungsrelevante Gesundheitszustand, z. B. eine Verringerung des Grades der Behinderung, Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Berufsbereich, Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es genügt meist, wenn sich die Besserung auf den Bereich bezieht, in dem die Leistung gewährt wird. Darüber hinaus können aufgrund der Schwere des verlangten Eingriffs auch Besserungen außerhalb des beruflichen Bereichs erforderlich sein, um die Mitwirkungspflicht zu begründen. Trifft eine Besserung des Gesundheitszustandes mit Nachteilen zusammen, etwa einem Körperschaden, ist eine Abwägung vorzunehmen. Allerdings sind Nachteile relevant, die auf Dauer bestehen bleiben werden (BSG, Urteil v. 19.5.1983, 2 RU 17/82). In diesem Fall sind auch die subjektiven Vorstellungen des Betroffenen zu berücksichtigen, wenn mit der angestrebten Verbesserung ein irreparabler Körperschaden einhergeht (BSG, Urteil v. 20.3.1981, 8/8a RU 46/80). In dem entschiedenen Fall war eine Besserung der Greiffähigkeit dem Verlust eines Fingers gegenüberzustellen. Bei dieser Bewertung sind nicht die Vorstellungen eines normalen Menschen, sondern die des konkret Betroffenen maßgebend, denn seine körperliche Unversehrtheit ist betroffen. Die Vorstellung des Betroffenen kann allein maßgebend sein, wenn es nach objektiven Gesichtspunkten nicht zweifelsfrei erscheint, dass der Heilerfolg den Schaden bei weitem überwiegt. Insofern sind nicht allein die objektiven Maßstäbe relevant. Die Rechtsprechung hat offen gelassen, ob das Verlangen nach § 63 oder wegen der Grenzen nach § 65 scheitert. Dieser Kommentar ordnet die subjektiven Vorstellungen des Betroffenen eher den Elementen des wichtigen Grundes und der Zumutbarkeit nach § 65 Abs. 1 zu und würde dem Verlangen danach widersprechen, ohne dass es auf Gründe nach § 65 Abs. 2 noch ankäme. Das gilt z. B. auch bei medikamentösen Behandlungen. In Fällen, in denen es im Ergebnis um eine Minderung oder den Wegfall einer Rente wegen (vollständiger) Erwerbsminderung geht, ist auch beachtlich, ob durch die Heilmaßnahme die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen verbessert wird.

 

Rz. 15

Die Erwartung einer Besserung bzw. Vermeidung einer Verschlimmerung ist Gegenstand einer Prognose des Leistungsträgers. Einer solchen Prognose bedarf es nicht, wenn der Zustand des Betroffenen nicht verbessert werden kann. Die Erwartungshaltung begründet ein relativ hohes Maß an Sicherheit, dass bei normalem Verlauf der Heilbehandlung an dessen Ende eine Verbesserung des Gesundheitszustandes stehen wird. Unzureichend wäre dagegen die Hoffnung auf Besserung oder ein nicht deutlich überwiegender Grad an Wahrscheinlichkeit. Umgekehrt wird eine konkrete Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die mit demselben Maß an Sicherheit zu erwarten ist, mit eben dieser Wahrscheinlichkeit abgewendet. Die Prognose ist auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Standes der Medizin abzugeben. In diesem Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass die Wiederherstellung eines krankheits- bzw. behinderungsfreien Zustandes ein staatliches Engagement spiegelt, dem der Betroffene mit einer Pflich...

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