2.1 Personenkreis
Rz. 3
Die Vorschrift betrifft sowohl Antragsteller auf Sozialleistungen als auch Personen, die bereits eine Sozialleistung beziehen. Sie fokussiert allerdings einschränkend auf den Personenkreis, der wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit leistungsberechtigt ist. Unter Erwerbsfähigkeit ist ganz allgemein die Fähigkeit des Leistungsberechtigten zu verstehen, mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nach seinem körperlichen, geistigen und seelischen Zustand durch Einsatz der Arbeitskraft Einkommen zu erzielen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift dürfte die Abgrenzung zur vollen Erwerbsminderung relevant sein. Daher genügt es für die Erwerbsfähigkeit, wenn eine Leistungsfähigkeit erhalten bleibt, die für eine Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens 3 Stunden täglich ausreicht. Es sollte auch genügen, wenn der Bezug einer Sozialleistung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Arbeitslosigkeit lediglich droht. Dann kann § 64 die volle präventive Wirkung entfalten.
Rz. 4
Wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. anerkannten Schädigungsfolgen sind insbesondere leistungsberechtigt Antragsteller oder Bezieher von
- Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem SGB VI, dazu gehören auch die ggf. noch übergangsweise berechtigten Bezieher von Rente wegen Berufsunfähigkeit,
- Verletztenrente nach dem SGB VII,
- Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
§ 64 knüpft nicht an Krankheit an (vgl. dazu § 63). Die Regelung erfasst aber letztlich alle Renten, die an eine Minderung der Erwerbsfähigkeit anknüpfen. Das gilt nicht für ausländische Renten, wenn sie nicht von einem Leistungsträger nach § 12 gewährt werden.
Rz. 5
Wegen Arbeitslosigkeit leistungsberechtigt sind Antragsteller oder Bezieher von
- Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (Alg) nach dem SGB III,
- Bürgergeld nach dem SGB II.
Bezieher von Alg bei beruflicher Weiterbildung dürften nach Sinn und Zweck des § 64 nicht betroffen sein, die Vermittlungschancen werden bereits durch die betreffende Maßnahme verbessert.
Bezieher von Bürgergeldmüssen nicht unbedingt arbeitslos sein. Arbeitslosigkeit ist in § 16 SGB III definiert. Auf diese Regelung nimmt auch § 53a SGB II Bezug. Dort geht es allerdings primär um die Statistik über den Umfang der Arbeitslosigkeit. Arbeitslos i. S. der Arbeitslosenversicherung ist, wer insbesondere vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt und die weiteren Voraussetzungen des § 138 SGB III erfüllt. Dazu gehört insbesondere Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung. Anspruch auf Bürgergeld hat hingegen auch, wer in einem Vollzeit-Beschäftigungsverhältnis steht und sich nicht für die Arbeitsvermittlung bereithält, sofern nur Hilfebedürftigkeit besteht. Schon diese Friktionen zeigen, dass die Vorschrift zusammen mit § 63 überarbeitet und zusammengefasst werden sollte. Unerheblich für die Anwendung des § 64 ist der gleichzeitige Bezug der Versicherungsleistung Alg und der Fürsorgeleistung Bürgergeld. Nicht erwerbsfähige Personen, die ebenfalls Bürgergeld nach dem SGB II erhalten können (vgl. dazu § 7 SGB II), gehören nicht zum Personenkreis des § 64.
2.2 Obliegenheit
Rz. 6
Die Regelung ist als Sollvorschrift ausgelegt. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass es sich bei der Mitwirkungspflicht um eine Obliegenheit handelt, die aber nicht erzwungen werden kann und soll. Nach Maßgabe des § 66 muss der Leistungsberechtigte allerdings ggf. hinnehmen, dass die Leistung versagt oder entzogen wird. Das ist nicht der Fall, wenn die sich aus § 64 selbst oder aus § 65 ergebenden Grenzen überschritten werden. Die Mitwirkungspflicht zielt wie § 63 deutlich über die §§ 60 bis 62 hinausgehend darauf ab, dass der der Leistungsgewährung zugrunde liegende Sachverhalt verändert wird, indem die Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessert, jedenfalls die Chancen auf eine Vermittlung nicht verschlechtert werden.
Rz. 7
Die Mitwirkungspflicht setzt voraus, dass die Mitwirkung verlangt wird. Dies kann nur durch den zuständigen Leistungsträger geschehen. Zuständig ist der Leistungsträger, der für die Bewilligung oder Ablehnung, Versagung oder Entziehung der Leistung zuständig ist. In Fällen eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Aufgabenübergangs nimmt der Auftragnehmer, z. B. eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II, die Aufgaben des zuständigen Leistungsträgers wahr. Verlangen setzt voraus, dass der zuständige Leistungsträger unmissverständlich für den Betroffenen zur Teilnahme an der (konkret geeigneten) Maßnahme auffordert und das Verlangen auf § 64 stützt. Ein Antrag auf eine Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme wird durch eine mit dem Verlangen verbundene Leistungsbewilligung ersetzt.
Rz. 8
Die Mitwirkungspflicht betrifft den gesamten Prozess der Förderung oder Erhaltung der Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit. Der zuständige Leistungsträger wird, bevor er die Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben verl...