0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde zum 1.1.2002 durch das SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046) redaktionell geändert. Durch Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts v. 13.12.2007 (BGBl. I S. 2904) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 21.12.2007 geändert.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Regelung bestimmt Mitwirkungspflichten von Beziehern und Antragstellern auf eine Sozialleistung wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang mit der an Krankheit anknüpfenden Vorschrift des § 63. Ziel der Vorschrift ist der Erwerb oder Erhalt der Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit. Dazu sollen die Leistungsberechtigten an einer oder ggf. auch mehreren Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben teilnehmen. Dadurch kann auf längere Sicht der Leistungsbezug wegen Arbeitslosigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit beendet und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erreicht werden, zumindest aber verhindert werden, dass ggf. noch weitergehende oder höhere Leistungsansprüche entstehen. Die Vorschrift hat präventive Funktion, soweit die Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit erhalten werden soll, sie hat investive und sozialpolitische Funktion, soweit sie darauf abzielt, durch den Schutz der Solidargemeinschaft im Sozialstaat den Betroffenen wieder ins Erwerbsleben und damit im Idealfall in den Personenkreis der Beitragszahler zu entlassen. Die Mitwirkungspflicht knüpft einerseits an ein entsprechendes Verlangen des zuständigen Leistungsträgers an. Andererseits sind die berufliche Neigung und die Leistungsfähigkeit des Leistungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Im SGB II und SGB III sind Regelungen enthalten, die bei Ablehnung zumutbarer Maßnahmen ohne wichtigen Grund den Eintritt einer Leistungsminderung (§§ 31, 31a SGB II) bzw. einer Sperrzeit (§ 159 SGB III) vorsehen.

2 Rechtspraxis

2.1 Personenkreis

 

Rz. 3

Die Vorschrift betrifft sowohl Antragsteller auf Sozialleistungen als auch Personen, die bereits eine Sozialleistung beziehen. Sie fokussiert allerdings einschränkend auf den Personenkreis, der wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit leistungsberechtigt ist. Unter Erwerbsfähigkeit ist ganz allgemein die Fähigkeit des Leistungsberechtigten zu verstehen, mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nach seinem körperlichen, geistigen und seelischen Zustand durch Einsatz der Arbeitskraft Einkommen zu erzielen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift dürfte die Abgrenzung zur vollen Erwerbsminderung relevant sein. Daher genügt es für die Erwerbsfähigkeit, wenn eine Leistungsfähigkeit erhalten bleibt, die für eine Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens 3 Stunden täglich ausreicht. Es sollte auch genügen, wenn der Bezug einer Sozialleistung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Arbeitslosigkeit lediglich droht. Dann kann § 64 die volle präventive Wirkung entfalten.

 

Rz. 4

Wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. anerkannten Schädigungsfolgen sind insbesondere leistungsberechtigt Antragsteller oder Bezieher von

  • Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem SGB VI, dazu gehören auch die ggf. noch übergangsweise berechtigten Bezieher von Rente wegen Berufsunfähigkeit,
  • Verletztenrente nach dem SGB VII,
  • Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

§ 64 knüpft nicht an Krankheit an (vgl. dazu § 63). Die Regelung erfasst aber letztlich alle Renten, die an eine Minderung der Erwerbsfähigkeit anknüpfen. Das gilt nicht für ausländische Renten, wenn sie nicht von einem Leistungsträger nach § 12 gewährt werden.

 

Rz. 5

Wegen Arbeitslosigkeit leistungsberechtigt sind Antragsteller oder Bezieher von

  • Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (Alg) nach dem SGB III,
  • Bürgergeld nach dem SGB II.

Bezieher von Alg bei beruflicher Weiterbildung dürften nach Sinn und Zweck des § 64 nicht betroffen sein, die Vermittlungschancen werden bereits durch die betreffende Maßnahme verbessert.

Bezieher von Bürgergeldmüssen nicht unbedingt arbeitslos sein. Arbeitslosigkeit ist in § 16 SGB III definiert. Auf diese Regelung nimmt auch § 53a SGB II Bezug. Dort geht es allerdings primär um die Statistik über den Umfang der Arbeitslosigkeit. Arbeitslos i. S. der Arbeitslosenversicherung ist, wer insbesondere vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt und die weiteren Voraussetzungen des § 138 SGB III erfüllt. Dazu gehört insbesondere Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung. Anspruch auf Bürgergeld hat hingegen auch, wer in einem Vollzeit-Beschäftigungsverhältnis steht und sich nicht für die Arbeitsvermittlung bereithält, sofern nur Hilfebedürftigkeit besteht. Schon diese Friktionen zeigen, dass die Vorschrift zusammen mit § 63 überarbeitet und zusammengefasst werden sollte. Unerheblich für die Anwendung des § 64 ist der gleichzeitige Bezug der Versicherungsleistung Alg und der Fürsorgeleistung Bürgergeld. Nicht erwerbsfähige Personen, die ebenfalls Bürgergeld ...

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