Rz. 6

Die Regelung ist als Sollvorschrift ausgelegt. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass es sich bei der Mitwirkungspflicht um eine Obliegenheit handelt, die aber nicht erzwungen werden kann und soll. Nach Maßgabe des § 66 muss der Leistungsberechtigte allerdings ggf. hinnehmen, dass die Leistung versagt oder entzogen wird. Das ist nicht der Fall, wenn die sich aus § 64 selbst oder aus § 65 ergebenden Grenzen überschritten werden. Die Mitwirkungspflicht zielt wie § 63 deutlich über die §§ 60 bis 62 hinausgehend darauf ab, dass der der Leistungsgewährung zugrunde liegende Sachverhalt verändert wird, indem die Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessert, jedenfalls die Chancen auf eine Vermittlung nicht verschlechtert werden.

 

Rz. 7

Die Mitwirkungspflicht setzt voraus, dass die Mitwirkung verlangt wird. Dies kann nur durch den zuständigen Leistungsträger geschehen. Zuständig ist der Leistungsträger, der für die Bewilligung oder Ablehnung, Versagung oder Entziehung der Leistung zuständig ist. In Fällen eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Aufgabenübergangs nimmt der Auftragnehmer, z. B. eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II, die Aufgaben des zuständigen Leistungsträgers wahr. Verlangen setzt voraus, dass der zuständige Leistungsträger unmissverständlich für den Betroffenen zur Teilnahme an der (konkret geeigneten) Maßnahme auffordert und das Verlangen auf § 64 stützt. Ein Antrag auf eine Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme wird durch eine mit dem Verlangen verbundene Leistungsbewilligung ersetzt.

 

Rz. 8

Die Mitwirkungspflicht betrifft den gesamten Prozess der Förderung oder Erhaltung der Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit. Der zuständige Leistungsträger wird, bevor er die Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben verlangt, insbesondere die begründete Erwartung aktenkundig machen, dass die Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit des Leistungsberechtigten durch die Teilnahme auf Dauer gefördert oder erhalten wird. Ab dem 1.1.2025 ist zu beachten, dass für die berufliche Rehabilitation der Leistungsberechtigten nach dem SGB II nicht mehr das Jobcenter, sondern die Agentur für Arbeit zuständig ist (vgl. auch § 22 SGB III, Übergangsfälle regelt § 87 SGB II). Für das Verlangen kommt es nicht darauf an, dass dies nach der Teilnahme tatsächlich der Fall ist, insoweit genügt eine Prognose, die diese Erwartungshaltung schlüssig darlegt. Bei Antragstellern muss der zuständige Leistungsträger nicht dokumentieren, dass diese leistungsberechtigt sein werden. Neben der Variante, dass im gegebenen Fall § 64 anwendbar wäre, ist es sozialpolitisch sinnvoll, auch die Erwerbsfähigkeit der Personen zu erhalten oder zu fördern, die z. B. allein aus versicherungsrechtlichen Gründen eine Leistung nicht beanspruchen können. Aus diesem Grunde kann die Teilnahme auch ohne Weiteres von Antragstellern verlangt werden. Die Rechtsfolgen des § 66 können zwar nicht unmittelbar nachteilig für den Betroffenen eintreten; allerdings wird über kurz oder lang eine andere Leistung zum Lebensunterhalt benötigt werden, letztlich das Bürgergeld, das dann zur Grundlage für die Mitwirkungspflichten wird. Spezielle Mitwirkungspflichten im SGB II stehen der ergänzenden Anwendung der §§ 60 ff. nicht entgegen (BSG, Urteil v. 19.2.2009, B 4 AS 10/08 R). Das Normprogramm des SGB II enthält keine Regelung, die Sachverhalte des § 64 abweichend oder anderweitig abschließend regelt.

 

Rz. 9

Das Mitwirkungsverlangen muss der Leistungsträger auf § 64 stützen, sofern ihm keine Spezialvorschrift zur Verfügung steht, die er anwenden kann. Für den Bereich der Arbeitslosenversicherung verpflichtet z. B. § 145 SGB III zur Antragstellung auf Leistungen bei Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Diese Vorschrift trifft allerdings zumeist auf mutmaßlich voll erwerbsgeminderte Arbeitnehmer zu. Allerdings trifft den Leistungsberechtigten aus der Arbeitslosenversicherung auch der Eintritt einer Sperrzeit nach § 159 SGB III, die seinen Leistungsanspruch zum Ruhen bringt, wenn er die Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben ohne wichtigen Grund ablehnt. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 3 SGB II ist ebenfalls ein Leistungsminderungstatbestand gegeben. Anders als bei einer Versagung oder Entziehung wird dadurch über Ansprüche teilweise endgültig entschieden. Zwar werden die Ansprüche bei Versagung oder Entziehung vernichtet, das subjektive Recht bleibt jedoch erhalten. Der Betroffene kann nach nachgeholter Mitwirkung eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Nachzahlung der Leistung beanspruchen. Nach Maßgabe des § 161 SGB III kann der Anspruch auf Alg auch vollständig erlöschen.

 

Rz. 10

Weitere Parallelvorschriften sind im SGB V (§ 51), SGB VI (§ 9) und dem SGB IX (§§ 8, 9) enthalten. Eine Frist wahrende Antragsverpflichtung enthält aber nur § 51 SGB V für die Schnittstelle vom Krankengeld zur Rente wegen Erwerbsminderung.

 

Rz. 11

Die Rechtsfolge des § 66 kann nur eintreten, wenn der Lei...

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