Rz. 12

§ 64 geht wie schon § 63 weit über die Mitwirkungsregelungen im Rahmen der Amtsermittlungspflichten der Behörde nach den §§ 60 bis 62 hinaus. Gefordert werden nicht nur mehr oder weniger umfassende Formalitäten, die zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Entscheidung über Zuerkennung oder Ablehnung der begehrten Leistung beitragen sollen (vollständige Angaben, Ausfüllen von Vordrucken, mündliche Erörterungen oder Duldung von ärztlichen oder psychologischen Untersuchungen). § 64 zielt auf eine Mitwirkungspflicht, durch die der Betroffene für wesentliche Änderungen in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen sorgt (vgl. § 48 SGB X), die zum Wegfall der von ihm bezogenen Leistung führen. Das verlangt eine völlig andere Qualität der Mitwirkung, wenn dies auch nicht bedeutet, dass der Betroffene bei Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben ohne jegliche Leistung, insbesondere zum Lebensunterhalt, bleiben wird. Gegenstand der Obliegenheit sind Anstrengungen des Betroffenen, durch Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben drohenden Verschlechterungen seiner Erwerbsfähigkeit oder Vermittelbarkeit entgegenzuwirken bzw. seine Chancen auf eine berufliche Integration zu verbessern. Betroffen sind Rentner wegen voller Erwerbsminderung nach dem SGB VI und dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte sowie Unfallrentner (auch als Bezieher von Verletztengeld, § 45 SGB VII). Krankengeld bezieht sich auf die konkrete Tätigkeit des Versicherten bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, knüpft aber nicht an eine Minderung der Erwerbsfähigkeit i. S. der Vorschrift an.

 

Rz. 13

Maßnahmen zur Teilnahme am Arbeitsleben sollen die Leistungsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen erhalten, verbessern, herstellen oder wiederherstellen und die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer sichern (vgl. § 33 SGB IX). § 64 meint nicht nur die Akzeptanz der Notwendigkeit einer Teilnahme, sondern auch den tatsächlichen Antritt und ein aktives Hinarbeiten zu einem Erfolg der Maßnahme. Dazu gehören insbesondere eine regelmäßige Teilnahme sowie die Vorbereitung und Ablegung etwa vorgesehener Prüfungen.

 

Rz. 14

Im Regelfall wird der Leistungsträger eine aus seiner Sicht geeignete Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben ermitteln und vorschlagen. § 64 lässt kein Verlangen nach der Teilnahme an einer "klassischen" arbeitsmarktpolitischen Maßnahme nach dem SGB III zu (Trainingsmaßname, Fortbildung, Umschulung usw.) Unter verschiedenen Alternativen ist allerdings die Maßnahme auszuwählen, die den Zielen des § 64 nach der Erwartungshaltung am ehesten entspricht. Das können Maßnahmen sein, die an den zuletzt ausgeübten Beruf anknüpfen, aber auch Weiterbildungen mit dem Ziel, einen neuen Beruf zu erlernen, sei es durch Ausbildung oder Umschulung. In Betracht kommt auch eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen. Es muss zu erwarten sein, dass die Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit auf Dauer gefördert oder erhalten wird. Dafür kann der zuständige Leistungsträger keine Garantie abgeben. Sein Verlangen i. S. d. § 64 wird deshalb nicht rechtswidrig, wenn sich der angestrebte Erfolg nicht oder nicht auf Dauer einstellt. Die Prognose ist unter Berücksichtigung aller Erkenntnisquellen und mit großer Sorgfalt anzustellen. Gleichwohl fließen Gesichtspunkte und Komponenten in die Überlegungen ein, die vom Leistungsträger nicht gesteuert werden können, etwa die Entwicklung der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Erwartung bedeutet aber auch, dass die auf Dauer angelegte Verbesserung in gewissem Umfang wahrscheinlich ist, etwa eine Vermittlung in Arbeit nicht nur abstrakt ermöglicht wird.

 

Rz. 15

Vermittlungsfähigkeit ist die Fähigkeit, mit den aktuell vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten in ein Beschäftigungsverhältnis oder eine sonstige Erwerbstätigkeit vermittelt werden zu können. Vermittlungsfähigkeit drückt damit eine gewisse Arbeitsmarktnähe aus, die nicht mit Gewissheit abgegrenzt werden kann. Maßstab für die Prognose in diesem Segment wird das bekannte, für Arbeitgeber typische Verhalten im Einstellungsprozess beim Betroffenen und vergleichbaren Personen in der Gegenwart und der Vergangenheit sein. Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 3 Stunden täglich ausgeübt werden kann. Das stimmt mit dem Rentenrecht und dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende überein.

 

Rz. 16

Die Erwerbsfähigkeit wird verbessert, wenn die mögliche tägliche Stundenzahl einer Erwerbstätigkeit steigt, sie wird erhalten, wenn die noch mögliche tägliche Arbeitszeit nicht weiter absinkt. Ebenso kann aber auf bestimmte berufliche Tätigkeiten abgestellt werden, die, sofern sie erreicht werden, eine verbesserte Erwerbsfähigkeit darstellen.

 

Rz. 17

Eine erhaltene oder verbesserte Vermittlungsfähigkeit kann nur an den Erwartungen anhand vorhandener Erfahrungen gerade auch im Anschluss an Maßnahmen zur T...

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