Rz. 28
Abs. 3 stellt 2 weitere Voraussetzungen auf, unter denen eine Versagung oder Entziehung nur möglich ist: Die Einräumung einer angemessenen Frist zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht nach einem schriftlichen Hinweis darauf, dass die Leistungen nach § 66 versagt oder entzogen werden können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.10.2012, L 7 AS 1879/12). Zutreffend wird Abs. 3 in der Literatur auch als spezielle Regelung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eingeordnet, denn jedenfalls vor einer Entziehung der Leistung müsste der Betroffene nach § 24 SGB X angehört werden. Eine solche Bewertung lässt sich allerdings auch aus der Verwaltungspraxis heraus rechtfertigen. Im Regelfall ist der Leistungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht bereits nicht nachgekommen, wenn ihn der schriftliche Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 66 erreicht. Der Leistungsträger bringt damit zum Ausdruck, dass er dieses Verhalten des Antragstellers bzw. Leistungsbeziehers nicht länger hinzunehmen bereit ist. Daneben aber bietet sich für den Betroffenen die Gelegenheit, auf Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Mitwirkungspflicht hinzuweisen oder rechtliche Bedenken, z. B. im Hinblick auf die Grenzen der Mitwirkungspflicht, geltend zu machen. Akzeptiert der Leistungsträger vorgetragene Hinderungsgründe nicht, muss der Leistungsträger dies in seine Belehrung erläuternd aufnehmen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 13.2.2014, L 19 AS 2395/13 B).
Ein ordnungsgemäßer Hinweis i. S. der Vorschrift muss Ausführungen darüber enthalten, aufgrund welcher Umstände der Leistungsträger im Einzelnen das Tatbestandsmerkmal der Weigerung des Antragstellers ohne triftigen Grund gerade in seinem Fall für gegeben hält (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.9.2016, L 7 AS 3613/15).
Das Erfordernis der Rechtsfolgenbelehrung ist durch die Rechtsprechung zum Teil auch in spezialgesetzliche Vorschriften übertragen worden, so z. B. auf den Anspruchsaufschub nach § 29 BVG. Danach muss ein Beschädigter, für den es erfolgversprechende und zumutbare Rehabilitationsmaßnahmen gibt, vorab über die leistungsrechtliche Bedeutung der Aussicht auf Rehabilitation und die Folgen fehlender Mitwirkung belehrt werden. Geschehe das nicht, so ende der Anspruchsaufschub nach § 29 BVG auch dann, wenn die Rehabilitationsbemühungen sich verzögern oder scheitern, weil der Beschädigte nicht mitgewirkt hat (BSG, Urteil v. 17.7.2008, B 9/9a VS 1/06 R). Im Rahmen des Grundsatzes Rehabilitation vor Rente könne die durch § 29 BVG angedrohte Sanktion das Verhalten des Beschädigten nur dem Normzweck entsprechend steuern, wenn dieser von dem drohenden Nachteil wisse. Nur so verstanden füge sich die Vorschrift in die im Sozialrecht allgemein geltenden Regeln über die Folgen fehlender Mitwirkung nach § 66 ein.
Die Mitwirkungsaufforderung eines Sozialleistungsträgers nach §§ 60 ff. stellt keinen Verwaltungsakt dar. Ein dagegen erhobener Widerspruch ist infolgedessen nicht statthaft. Der Mitwirkungsaufforderung fehlt es an einem vollstreckbaren Regelungscharakter, der für einen Verwaltungsakt unabdingbar ist. Ein dagegen erhobener Widerspruch ist als unzulässig zu verwerfen (LSG Hessen, Beschluss v. 19.3.2021, L 6 AS 433/17, bestätigt durch BSG, Beschluss v. 24.8.2021, B 4 AS 32/21).
Rz. 29
Die Regelung schreibt zum Schutz des Betroffenen verbindlich vor, dass eine Versagung oder Entziehung nur möglich ist, wenn der Leistungsberechtigte zuvor schriftlich unter angemessener Fristsetzung auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden ist. Der Schriftform wird regelmäßig durch eigenhändige Unterschrift Rechnung getragen. Es muss erkennbar sein, dass es sich nicht um einen Entwurf handelt und das Schriftstück dem Betroffenen mit Wissen und Wollen der Behörde zugeleitet worden ist. Dieser Hinweispflicht kann der Leistungsträger nur Genüge tun, wenn er dem Antragsteller bzw. Leistungsbezieher die konkret in Betracht kommende Mitwirkungspflicht darlegt, d. h. erklärt, aus welchem Grund gerade ein persönliches Erscheinen oder eine Untersuchungsmaßnahme (und kein milderes Mittel) erforderlich ist. Stehen z. B. Einkünfte aus Aktien oder Fonds in Rede, muss dem Betroffenen gegenüber ggf. verdeutlicht werden, dass auch solche Einkünfte von den Einkünften aus Kapitalvermögen erfasst sind, auf die im Antragsvordruck hingewiesen wird, obwohl dies für das OVG Sachsen offensichtlich ist (vgl. OVG Sachsen, Beschluss v. 8.8.2013, 4 A 281/12). Darüber hinaus muss der Leistungsträger ohne Beschränkung auf die Wiedergabe des Gesetzestextes anschaulich, eindeutig und leicht verständlich, richtig und vollständig darauf hinweisen, mit welchen Rechtsfolgen der Betroffene rechnen muss (vgl. BSG, Urteil v. 25.10.1988, 7 RAr 70/77). Ein mündlicher Hinweis auf die leistungsrechtlichen Konsequenzen reicht nicht aus, selbst wenn dieser von besserer Qualität war als ein vordruckmäßiger schriftlicher Hinweis. Dadurch wird einer möglichen Überraschung durch einen Versagungsbescheid entgegengewirkt. Sofern der Betroffene bereits Gründ...