Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages mit einer zugewiesenen erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person i.R.d. Zuschussgewährung zum Arbeitsentgelt dem Arbeitgeber zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit nach § 16i Abs. 8 SGB II die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einer zugewiesenen erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person im Sinne von Absatz 3 bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig ist, wenn dem Arbeitgeber zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt ein Zuschuss zum Arbeitsentgelt nach Absatz 1 gewährt wird, kommt es für die Wirksamkeit der Befristung nicht darauf an, dass die Zuweisung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person durch das Jobcenter vor Abschluss der Befristungsabrede erfolgt. Voraussetzung ist insofern lediglich, dass es sich um ein (befristetes) Arbeitsverhältnis mit einer zugewiesenen Person handeln muss.
2. Aufschiebende Bedingungen gemäß § 158 Abs. 1 BGB sind auch in Bezug auf Arbeitsverträge zulässig. Insbesondere soweit der Arbeitgeber eine von ihm als Beschäftigungsträger vorgesehe Eingliederungsmaßnahme mittels der hierfür vorgesehen Förderinstrumente umsetzen und den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge von der Förderung abhängig machen will, wird der Arbeitnehmer durch eine ensprechende Bedingungsklausel nicht unangemessen benachteiligt.
Normenkette
SGB II § 16i Abs. 8
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 28.02.2023; Aktenzeichen 6 Ca 6112/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 28.02.2023 - 6 Ca 6112/22 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahren.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.
Der Kläger war im Zeitraum vom 01.06.2019 bis zum 31.05.2022 bei dem Beklagten als Assistenzkraft des Betriebsrates beschäftigt und in diesem Zusammenhang mit Verwaltungsarbeiten betraut. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Beschäftigungsträger, der berufliche Weiterbildungsmaßnahmen umsetzt und verschiedene Eingliederungsmaßnahmen durchführt, die von der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter finanziert werden.
Im Zeitraum vom 01.09.2016 bis 31.08.2018 war der Kläger bereits zuvor im Rahmen eines geförderten Arbeitsverhältnisses nach § 16e SGB II a.F. bei dem Beklagten im Bremer Geschichtenhaus tätig.
Im Frühjahr 2019 kam es zu einem Kontakt zwischen dem Kläger und dem bei dem Beklagten gebildeten Betriebsrat.
Der Kläger wurde am 08.04.2019 im Jobcenter Bremen vorstellig. Im Rahmen des Gespräches wurde über die Möglichkeiten einer Förderung nach § 16i SGB II gesprochen.
Aus einer Gesprächsnotiz der Betriebsratsvorsitzenden Frau R. (Bl. 128 d.A. des Arbeitsgerichts) geht hervor, dass im April 2019 ein Gespräch mit dem Sachbearbeiter aus dem Jobcenter, Herrn S., stattgefunden hat, in dem Herr S. die Förderung des Klägers über 36 Monate, also bis zum 31.05.2022, bestätigte.
Mit Schreiben vom 06.05.2019 übersandte das Jobcenter Bremen dem Beklagten sodann die Antragsunterlagen für eine Beschäftigung des Klägers nach § 16i SGB II (vgl. Bl. 129 d.A.). Das vom Jobcenter übersandte Formular enthielt unter anderem folgenden Hinweis (Bl. 226 d.A. des Arbeitsgerichts):
[...]
3. Antrag und Entscheidung vor Abschluss des Arbeitsvertrages
Der Antrag/Weiterbewilligungsantrag ist vor Abschluss des Arbeitsvertrages zu stellen. Nachdem das Jobcenter den Antrag/Weiterbewilligungsantrag geprüft und die Förderfähigkeit des Antrags/Weiterbewilligungsantrags festgestellt hat, kann der Arbeitsvertrag wie beantragt geschlossen werden. Nach Vorlage des Arbeitsvertrages entscheidet das zuständige Jobcenter über den Antrag/Weiterbewilligungsantrag auf Grundlage des vorgelegten Arbeitsvertrages. Bei einer positiven Entscheidung wird Ihnen die Arbeitnehmerin, der Arbeitnehmer zugewiesen.
[...]
Die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 16i Abs. 2 SGB II "Teilhabe am Arbeitsmarkt", veröffentlicht am 06.12.2021, gültig ab 01.01.2022, enthalten unter anderem Folgendes (Bl. 201 ff. d.A. des Arbeitsgerichts):
[...]
1.1.2. Ermessensentscheidung zur Förderung
Sind die gesetzlichen Fördervoraussetzungen des Absatz 3 bzw. Absatz 10 i. V. m. Absatz 3 erfüllt, muss die gemeinsame Einrichtung im Rahmen der Ermessensentscheidung im konkreten Einzelfall prüfen, begründen und dokumentieren, dass eine Förderung zur Teilhabe am Arbeitsmarkt geeignet ist, um der/dem ELB wieder soziale Teilhabe und mittel- bis langfristig eine Perspektive am Arbeitsmarkt zu eröffnen.
[...]
2. Verfahrensweisung [...]
2.2 Antrags,-Zuweisungs- und Bescheiderteilungsprozess und Rechtsfolgen
Zum Zeitpunkt der Antragstellung des Arbeitgebers auf einen Lohnkostenzuschuss und der Förderentscheidung darf der Arbeitsvertrag noch nicht abgeschlossen sein. Erst nachdem die gemeinsame Einrichtung die Entscheidung getroffen hat, dass die/der ELB gefördert wird, darf der Arbeitsvertrag geschlossen werden. ...