Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Arbeitsunfall. Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften. Verschulden. Mitverschulden des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Mitverschulden des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer einen uneingeschränkten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, wenn ihm selbst nicht der Vorwurf gröbster Fahrlässigkeit gemacht werden kann.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1 S. 1; SGB X § 115 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 25.06.2002; Aktenzeichen 4 Ca 405/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 25.06.2002 – 4 Ca 405/02 L – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall aus übergegangenem Recht geltend.
Der bei der Klägerin versicherte Ulrich K5xxx ist seit dem 01.08.1993 Arbeitnehmer der Beklagten, die ein Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen betreibt.
Der Versicherte K5xxx, der eine Malerausbildung absolviert hat, erlitt am 19.07.2000 einen Arbeitsunfall.
Eingesetzt war er an diesem Tag als Leiharbeitnehmer der Beklagten bei der Firma G3. K4xxxx GmbH aus W2xx auf deren Baustelle in der S5xxxxxxxxxx in U1xx-M2xxxx. Er war auf der Baustelle eingewiesen worden von dem Vorarbeiter K6xx des Entleiherbetriebs. Der Versicherte K5xxx hatte Wärmedämmputzarbeiten an einem Balkon auf der Baustelle durchzuführen. Für die Ausführungen der Arbeit auf der Baustelle musste der Versicherte K5xxx den oberen Rand eines Balkons erreichen, was ohne Aufstieg nicht möglich war. Als Hilfe für den Aufstieg nutzte der Versicherte K5xxx eine Verpackungseinheit der verwendeten Styroporwärmedämmplatten mit den Abmessungen 0,5 × 0,5 × 1m, deren Enden mit Kreppband umwickelt waren, damit die Pakete nicht wegrutschen konnten. Auf der Baustelle und zwar im Keller des zu sanierenden Gebäudes waren Leitern vorhanden, die als Aufstiegshilfen benutzt werden konnten, jedoch von dem Versicherten K5xxx nicht benutzt wurden. Während der Arbeiten am Balkon verlor der Versicherte K5xxx das Gleichgewicht und stürzte vom Balkon, wobei er sich eine Verletzung zuzog, auf Grund derer er vom 19.07.2000 bis zum 05.11.2000 arbeitsunfähig erkrankt war.
Die Beklagte hatte ihren Arbeitnehmer K5xxx über das Erfordernis der Verwendung von Aufstiegshilfen sowie regelmäßig über die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen belehrt.
Die Beklagte weigerte sich, Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle ab 19.07.2000 bis 30.08.2002 an ihren Arbeitnehmer K5xxx zu zahlen. Die Krankenkasse des Arbeitnehmers K5xxx zahlte im Auftrag der Klägerin Verletztengeld sowie Sozialversicherungsbeiträge, die die Klägerin der Krankenkasse zurückerstattete. Mit Schreiben vom 03.01.2001 machte sie ihre Ansprüche gegen die Beklagte geltend. In dem Schreiben heißt es u.a.:
„Herr U2xxxx K5xxx erlitt am 19.07.2000 während seiner beruflichen Tätigkeit für Ihr Unternehmen einen Unfall und war auf Grund der Unfallfolgen vom 19.07.2000 bis 05.11.2000 arbeitsunfähig.
Während der ersten sechs Wochen dieser Arbeitsunfähigkeit, dass heißt vom 19.07.2000 bis 30.08.2000, verweigerten Sie als Arbeitgeber die gesetzliche Entgeltfortzahlung, da nach Ihrer Ansicht Herr K5xxx den Unfall durch sein grob fahrlässiges Verhalten selbst verschuldet habe.
Als Entgeltersatz zahlten wir für diesen Zeitraum an Herrn K5xxx ein kalendertägliches Verletztengeld und zzgl. die Reha-Trägerbeiträge.
…
Herr K5xxx hat somit seine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz nicht durch grob fahrlässiges Verhalten selbst verschuldet.
Ihre Verweigerung der Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 19.07.2000 bis 30.08.2000 erfolgte somit zu Unrecht.
Da der Anspruch des Herrn K5xxx auf Weiterzahlung des Entgelts nach § 115 Abs. 1 SGB X (X Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren –) auf uns als gesetzlichen Unfallversicherungsträger bis zur Höhe der von uns erbrachten Sozialleistungen übergegangen ist, machen wir hiermit unseren Anspruch gegen Sie geltend.
Für den Zeitraum vom 19.07.2000 bis 30.08.2000 wurden von uns folgende Beträge verauslagt:
Verletztengeld 42 Tage × 59,36 DM = |
2.493,12 DM |
Trägerbeitrag Rentenversicherung 42 Tage × 7,61 DM = |
319,62 DM |
Trägerbeitrag Bundesanstalt für Arbeit 42 Tage × 2,57 DM = |
107,94 DM |
Krankenversicherungsbeitrag 42 Tage × 9,61 DM = |
403,62 DM |
Pflegeversicherungsbeitrag 42 Tage × 1,176 DM = |
49,39 DM |
Insgesamt: |
3.373,69 DM |
Nachdem keine Zahlungen durch die Beklagte erfolgten, hat die Klägerin mit Mahnbescheid vom 08.02.2002 ihre Ansprüche gerichtlich geltend gemacht. Gegen den Mahnbescheid hat die Beklagte am 19.02.2002 Widerspruch eingelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, ein die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle ausschließendes Verschulden ihres Versicherten K5xxx liege nicht vor.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.724,94 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15....