Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung von Entgeltrechnungen über ein digitales Mitarbeiterpostfach. Zugang einer Entgeltabrechnung im digitalen Postfach bei Einverständnis des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Entgeltanrechnung gem. § 108 Abs. 1 S. 1 GewO kann auch in Textform nach § 126 b BGB erteilt werden.
2. Eine in Textform erteilte Entgeltabrechnung geht dem Arbeitnehmer aber nur dann im digitalen Mitarbeiterpostfach im Sinne von § 130 BGB zu, wenn er hierzu sein Einverständnis gegeben hat. Andernfalls muss er nicht damit rechnen, dass ihm Entgeltabrechnungen auf digitalem Weg übermittelt werden.
3. Die fehlende Einwilligung kann mangels Mitbestimmungsrecht nicht durch eine (Konzern-)Betriebsvereinbarung ersetzt werden.
Normenkette
BetrVG § 88; BGB §§ 126 b, 130; GewO § 108; BGB § 126b; GewO § 108 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 26.07.2023; Aktenzeichen 3 Ca 163/23) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts E-Stadt vom 26.07.2023 - abgeändert und die Beklagte verurteilt,
- der Klägerin über die am 30.03.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.325,57 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 28.04.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.300,12 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 30.05.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.851,52 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 29.06.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.269,64 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 28.07.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.694,06 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 30.08.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.022,51 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 29.09.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.543,82 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 27.10.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.343,67 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 29.11.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.748,26 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 29.12.2022 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.347,53 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 30.01.2023 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.349,78 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 27.02.2023 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.346,40 € eine Abrechnung zu erteilen;
- der Klägerin über die am 30.03.2023 erbrachte Zahlung in Höhe von netto 1.349,62 € eine Abrechnung zu erteilen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erteilung von Entgeltrechnungen über ein digitales Mitarbeiterpostfach.
Die Klägerin ist als Verkäuferin in einem von der Beklagten betriebenen Markt in A-Stadt beschäftigt.
Die Beklagte schloss mit dem Konzernbetriebsrat unter dem 07.04.2021 eine Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs ab § 3 lautet:
"Grundsätze zur Einführung und Anwendung
"Alle Personaldokumente, werden zukünftig über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach mehrsprachig bereitgestellt und können vom Mitarbeiter über einen Online-Zugriff auf dieses Postfach abgerufen werden. Nach einer Übergangsfrist von 9 Monaten erfolgt kein Versand von Papierdokumenten mehr. Für den Login werden dem Arbeitnehmer die Zugangsdaten über den Anbieter zur Verfügung gestellt. Die Daten, die im digitalen Mitarbeiterpostfach vorhanden sind, stammen aus dem Entgeltabrechnungssystem Paisy. Es sind keine Mitarbeiterdaten im digitalen Mitarbeiterpostfach vorhanden, die eine Leistungs- und / oder Verhaltenskontrolle möglich machen.
Die Einwilligung zur Übertragung optionaler Dokumententypen (z.B. Mitarbeiterinformationen und Newsletter) wird im System abgefragt. Ein Widerruf einer erteilten Einwilligung oder einer erteilten Ablehnung ist jederzeit mit Wirkung für die Zukunft möglich.
Sofern für einzelne Arbeitnehmer keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät Zugriff auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zu nehmen, wird der Arbeitgeber ermöglichen, dass der betroffene Arbeitnehmer die Unterlagen einsehen und ausdrucken kann.
Im digitalen Mitarbeiterpostfach können Dokumente der Entgeltabrechnung eingestellt werden Sofern darüber hinaus optionale Dokumententypen durch den Vorstand, die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften sowie der jeweiligen Arbeitnehmervertretungen eingestellt werden sollen, bedarf dies einer Freigabe durch den Vorstand oder den Geschäftsbereich Personal. Das Einstellen der Dokumente erfolgt durch den Geschäftsbereich Personal. Dokumente mit Werbecharakter dürfen nicht eingestellt werden. Ausgenommen hiervon sind Dokumente der EDEKA-Pensionskasse, des EDEKA-Versicherungsdienstes und der EDEKA-Bank sowie Informationsschreiben von Pensionskassen zur Altersvorsorge.
Alle Personaldokumente stehen mindestens 12 Monate im Portal zur Verfügung. Optio...