Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung für die Dauer einer in Frankreich durchgeführten Thermalkur. Unbegründete Zahlungsklage des Arbeitnehmers bei ambulanter Kur ohne ausreichenden Einfluss auf die Lebensführung des Versicherten
Leitsatz (redaktionell)
1. § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass die Maßnahme in einer “Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation„ durchgeführt wird und verweist damit auf die Begriffsbestimmung in § 107 Abs. 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift sind Einrichtungen der Vorsorge oder Rehabilitation solche, die “der stationären Behandlung der Patienten dienen„ und in denen “die Patienten untergebracht und verpflegt werden können„, so dass die Durchführung einer Maßnahme in Einrichtungen minderen Anforderungsprofils keinen Entgeltfortzahlungsanspruch auslösen.
2. Ein Thermalbad, das keine Unterbringungsmöglichkeiten für die Patienten bereithält, ist keine Einrichtung im Sinne des § 107 Abs. 2 SGB V und § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG.
3. § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG setzt unter anderem voraus, dass die Maßnahme von dem Träger der Sozialversicherung verantwortlich gestaltet und durchgeführt wird, was eine sachgerechte medizinische Betreuung und einen ausreichenden Einfluss auf die Lebensführung des Versicherten erfordert. Ist die Bindung der Lebensführung während des Aufenthalts auf eine täglich drei bis dreieinhalbstündige Behandlungsdauer mit anschließender Ruhezeit sowie auf eine insgesamt dreimalige Untersuchung durch einen Kurarzt beschränkt und sind weitere Maßregeln oder Einschränkung der Lebensführung weder dargelegt noch sonst ersichtlich, entspricht die Kur nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 1; SGB V § 107 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 23.04.2015; Aktenzeichen 6 Ca 17/15) |
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 23.04.2015, Az.: 6 Ca 17/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger für die Dauer einer in Frankreich durchgeführten Kur Entgeltfortzahlung zu leisten.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 05.07.1999 beschäftigt. Er ist französischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Frankreich.
Dem Kläger, der unter Rheuma und Arthrose leidet, wurde mit Bescheid seiner französischen Krankenversicherung vom 17.02.2014 die Durchführung einer Thermalkur im Thermalbad Amnéville, Frankreich, bewilligt.
Am 04.08.2014 trat der Kläger die Kur an, die 21 Tage dauerte. Die Kureinrichtung in Amnéville bietet keine Übernachtungsmöglichkeiten an. Die Kurpatienten übernachten daher regelmäßig in einem nahegelegenen Hotel oder Appartement. Der Kläger, der ca. 100 km von der Kureinrichtung entfernt wohnt, übernachtete zuhause und reiste täglich zur Kur an. Die Kurzmaßnahmen erfolgten jeweils vormittags von 7.00 Uhr bis 10.00 Uhr oder bis 10.30 Uhr. Danach ruhte der Kläger und fuhr anschließend nach Hause. An drei Tagen konsultierte er zudem vormittags einen in der Einrichtung tätigen Kurarzt.
Mit Schreiben vom 08.08.2014 teilte die deutsche Krankenversicherung dem Kläger mit, dass während der betreffenden Kurmaßnahme grundsätzlich kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bzw. auf Krankengeld bestehe. Am 22.09.2014 trafen die Parteien eine schriftliche Vereinbarung, nach deren Inhalt der Kläger in der Zeit vom 04.08. bis 24.08.2014 - ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt - von der Arbeit freigestellt war.
Mit seiner am 13.01.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der durchgeführten Kur in Anspruch genommen und zugleich die mit der Beklagten am 22.09.2014 getroffene Vereinbarung angefochten.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 23.04.2015 (Bl. 38 - 41 d.A.).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.329,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.04.2015 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 9 dieses Urteils (= Bl. 41 - 45 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 06.05.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.05.2015 Berufung eingelegt und diese am 30.06.2015 begründet.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe er gegen die Beklagte für die Dauer der durchgeführten Kur Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 9 Abs. 1 EFZG. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass die betreffende Vorschrift gerade keine stationäre Durchführung der Kur (mehr) voraussetze....