Verfahrensgang

ArbG Saarlouis (Urteil vom 11.05.1993; Aktenzeichen 2 Ca 52/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.03.1995; Aktenzeichen 4 AZR 30/94)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 11.5.1993, Az.: 2 Ca 52/93 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen ab dem 1.4.1991 Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT zu zahlen.
  2. Der Beklagte wird verurteilt,

    an die Klägerin zu 1) 8.016,19 DM brutto,

    an die Klägerin zu 2) 8.720,90 DM brutto,

    an die Klägerin zu 3) 8.625,07 DM brutto,

    an die Klägerin zu 4) 8.854,21 DM brutto

    jeweils nebst 4 % Zinsen aus den sich ergebenden Nettobeträgen seit 6.4.1993 zu zahlen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerinnen.

Die Klägerinnen sind seit 1984 bzw. 1982 bzw. 1979 als Erzieherinnen in der Frühförderstelle des beklagten Vereins beschäftigt, der auf dem Gebiet der „Lebenshilfe für geistig Behinderte” tätig ist.

Die Klägerin zu 1) ist Diplom-Psychologin. Die Klägerinnen zu 2) bis 4) sind ausgebildete Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und verfügen über eine sonderpädagogische Zusatzausbildung.

Nach den Arbeitsvertragen (Bl. 41–45 d.A.) richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.2.1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen mit Ausnahme der Vorschriften über die zusätzliche Altersversorgung. Die Vergütung erfolgt nach Vergütungsgruppe V c BAT.

Das Ziel der Frühförderung umfaßt die Früherkennung und Frühbehandlung entwicklungsverzögerter, behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder vom Säuglings- bis zum Schulalter. Die Tätigkeit der Klägerinnen besteht in der Einzelbetreuung dieser Kinder zuhause unter Einbeziehung der Eltern in die Therapie (vgl. Bl. 83 d.A.).

Die Kosten der Frühförderung werden nach dem Bundessozialhilfegesetz von dem örtlichen Träger der Sozialhilfe übernommen.

Mit ihrer am 20.1.1993 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Eingruppierungsfeststellungsklage begehren die Klägerinnen Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT ab dem 1.4.1991. Im Wege der Klageerweiterung nehmen die Klägerinnen den Beklagten auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen den Vergütungsgruppen V c und V b für die Zeit vom 1.4.1991 bis zum 31.3.1993 in rechnerisch unstreitiger Höhe in Anspruch.

Die Ansprüche waren mit Schreiben der Gewerkschaft ÖTV vom 13.9.1991 rückwirkend zum 1.4.1991 geltend gemacht worden.

Die Parteien streiten darüber, ob die Tätigkeit der Klägerinnen eine „besonders schwierige fachliche Tätigkeit” im Sinne der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 5, Teil II, Abschnitt G der Anlage 1 a zum BAT darstellt.

Die Klägerinnen haben im ersten Rechtszug vorgetragen, die Arbeit in der Frühförderung stelle besonders hohe Anforderungen an die physische und psychische Belastbarkeit der Erzieherin. Gründe hierfür seien das offene, mit anderen Diensten kooperierende System der Frühförderung, die notwendig hohe Flexibilität, das immer wieder neu Sich-Einstellen-Müssen auf Normen und Werte der einzelnen Familien, die erforderliche Methodenvielfalt und nicht zuletzt auch die starke Beanspruchung durch viele Fahrten und lange Wege der mobilen Frühförderung. Neben der beruflichen Qualifikation sei ein hohes Maß an Fort- und Weiterbildung nötig. An Sensibilität und persönliche Reife würden erhebliche Ansprüche gestellt.

Die besonders schwierige fachliche Tätigkeit in der Frühförderung ergebe sich aus der großen Spannbreite der zu betreuenden Kinder, die alle Arten schwerer Behinderungen, aber auch Entwicklungsverzögerungen durch psychische Faktoren umfasse. Bei der Therapie in der Familie müsse ein Förderkonzept in Zusammenarbeit mit den Eltern erarbeitet werden. Dabei müßten die Eltern bei der Akzeptanz und Verarbeitung der Behinderung ihres Kindes unterstützt werden. Entwicklungshemmende Erziehungsstile müßten aufgedeckt werden. Bei dem individuellen und situativen Arbeiten mit dem Kind würden Eltern und kindliche Geschwister miteinbezogen, wobei vielfältige pädagogische Spielangebote mit dem Ziel der ganzheitlichen Förderung des Kindes gemacht würden, die die Bereiche Grob- und Feinmotorik, Wahrnehmung, Sprache, Konzentrationsfähigkeit und Sozialverhalten zusammenwirken ließen. Die Aufgabenstellung der Frühförderung sei so komplex, daß verschiedene Fachdisziplinen zusammenwirken müßten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit erfasse Kindergärten, Logopäden, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Psychologen, Ärzte und pädiatrische Zentren. Erzieherinnen in der Frühförderung müßten sowohl medizinische als auch psychologische Zusammenhänge verstehen und interpretieren können. Die Arbeit in einer Familien setze auch detaillierte Kenntnisse der Sozialarbeit (Persönlichkeitsstrukturen, Gesprächsführung, Beratung) voraus.

Die Klägerinnen haben beantragt,

  1. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen...

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