Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Prüfung des Zeitaufwands für tabellarische Darstellungen. Plausibilitätsprüfung. soziale Pflegeversicherung. Gutachten zur Feststellung des Pflegegrads. Vergütung eines durch Pflegefachkräfte erstellten Gutachtens
Leitsatz (amtlich)
1. Der für die Begutachtung maßgebende Zeitaufwand für tabellarische Darstellungen zur Beurteilung und Beantwortung von Beweisfragen (hier: Module zur Ermittlung des Pflegegrads) kann nur eingeschränkt nach den Grundsätzen der Plausibilitätsprüfung geprüft werden.
2. Durch Pflegefachkräfte erstellte Gutachten zur Feststellung des Pflegegrads nach dem SGB XI werden idR nach Honorargruppe M2 vergütet.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.01.2024 abgeändert. Die Vergütung der Antragstellerin für ihr Gutachten vom 27.10.2022 wird auf 1.643,10 € festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
In dem beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängig gewesenen Klageverfahren S 28 P 1374/22, in dem es um den Pflegegrad der dortigen Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) ging, wurde die Antragstellerin zur gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines (Pflege-)Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung der Klägerin im Rahmen eines Hausbesuchs gebeten. Im Oktober 2022 erstattete sie ihr Gutachten, wofür sie eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.643,10 € verlangt hat (Rechnung vom 27.10.2022). Abgerechnet hat die Antragstellerin 1 Stunde Aktendurchsicht, 2 Stunden Untersuchungszeit, 1,5 Stunden Fahrzeit, 11 Stunden Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen, 1,5 Stunden Korrektur, insgesamt 17 Stunden nach der Honorargruppe M2, Fahrtkosten (80 x 0,42 € = 33,60 €), Schreibgebühren (64,50 €) und die Portopauschale (15 €).
Die Kostenbeamtin hat Fahr- und Untersuchungszeit antragsgemäß und nach der Plausibilitätsprüfung errechnete 7,49 Stunden für die Abfassung des Gutachtens berücksichtigt (Aktenstudium 0,67 Stunden, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen 5,5 Stunden, Korrektur 1,32 Stunden), insgesamt 11 Stunden nach der Honorargruppe M2. Zusätzlich hat sie jeweils antragsgemäß Fahrtkosten, Schreibgebühren und Porto, insgesamt einen Betrag von 1.103,10 € vergütet.
Mit ihrem Antrag auf richterliche Festsetzung hat die Antragstellerin an ihrer Forderung festgehalten und ausgeführt, entgegen der Auffassung der Kostenbeamtin würden im Begutachtungsverfahren nach SGB XI nicht lediglich gesundheitliche Einschränkungen des Alltags ermittelt und schon gar kein Grad der Behinderung. Zudem spiele die ärztliche Diagnosestellung zunächst überhaupt keine Rolle bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit, sondern es würden die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ermittelt und anhand in der Begutachtungsrichtlinie definierten Modulen gewertet. Die Beantwortung der Beweisfragen sei nicht lediglich mit der Eingabe in den Pflegegradrechner und dem Ausdruck der Tabellen und dem ermittelten Pflegegrad erledigt, sie habe 17 Beweisfragen zu beantworten gehabt. Auch die notwendige lückenlose Betrachtung und Bewertung aller Hinweise, Tatsachen und Hilfstatsachen erledige der Pflegegradrechner nicht mit. Tatsächlich habe sie bei der Durchsicht der Akten und der Korrektur sehr viel mehr Zeit benötigt. Die Gesamtzeit für die Erstellung des Gutachtens habe tatsächlich 17 Stunden weit überschritten.
Das SG hat mit Beschluss vom 17.01.2024, der Antragstellerin zugestellt am 27.01.2024, das Honorar in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin auf 1.103,10 € festgesetzt. Es hat u.a. ausgeführt, dass vorliegend eine genaue Beurteilung nur eingeschränkt möglich sei, da die Antragstellerin nicht wie üblich die Anamnese und die Beurteilung bzw. die Beantwortung der Beweisfragen getrennt im Gutachten aufgelistet habe. Dass in dem Kürzungsschreiben der Kostenbeamtin die Darstellung der Module und die Wiedergabe der Aktenlage abgezogen worden sei, sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da die Wiedergabe der Aktenlage bereits im Zeitaufwand für das Aktenstudium berücksichtigt worden sei. Dass die Position Aktenlage nicht doppelt vergütet werden könne, liege auf der Hand. Das Gericht ziehe die Angabe der Antragstellerin nicht in Zweifel, dass sie tatsächlich 17 Stunden für die Erstellung des Gutachtens gebraucht habe, jedoch sei lediglich die „erforderliche“ Zeit vergütungsfähig und nicht die Zeit, die der Sachverständige im konkreten Fall benötigt habe.
Mit ihrer hiergegen am 26.02.2024 eingelegten Beschwerde hat die Antragstellerin moniert, es sei nicht beschrieben worden, an welchen Stellen sie die Module „dargestellt“ und Aktenlage wiedergegeben haben solle. Der Abzug sei willkürlich erfolgt. Bei der Beantwortung erwähne sie stets die Stelle in der Aktenlage, zu der sie Stellung nehme. Die Module führe sie ebenfalls i.d.R. nicht auf, sondern erwähne lediglich die maßgebende Stelle...