Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. soziale Pflegeversicherung. Gutachten zur Feststellung des Pflegegrads. Vergütung eines durch Pflegefachkräfte erstellten Gutachtens
Leitsatz (amtlich)
Durch Pflegefachkräfte erstellte Gutachten zur Feststellung des Pflegegrads nach dem SGB XI werden idR nach Honorargruppe M2 vergütet.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 21.04.2020 abgeändert. Die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 09.01.2020 wird auf 1.001,03 € festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
In dem beim Sozialgericht Konstanz anhängig gewesenen Klageverfahren S 8 P 88/18, in dem es um den Pflegegrad des dortigen Klägers nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI) ging, wurde der Antragsteller zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten. Im Januar 2020 erstattete er sein Gutachten, wofür er eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.118,92 € verlangt hat. Abgerechnet hat der Antragsteller 0,49 Stunden Aktendurchsicht und - auf der Grundlage nach Gutachtenseiten errechnetem Zeitaufwand - für die Erstellung des Gutachtens sechs Stunden, Untersuchungszeit (1,5 Stunden) und Fahrzeit (drei Stunden), insgesamt elf Stunden nach der Honorargruppe M2, Fahrtkosten, Schreibgebühren, das verauslagte Porto und die gesetzliche Umsatzsteuer.
Die Kostenbeamtin hat Fahr- und Untersuchungszeit antragsgemäß und nach der Plausibilitätsprüfung errechnete sechs Stunden für die Abfassung des Gutachtens, insgesamt 10,5 Stunden, allerdings nach der Honorargruppe M 1, jeweils antragsgemäß Fahrtkosten, Schreibgebühren und das verauslagte Porto sowie die gesetzliche Umsatzsteuer, insgesamt einen Betrag von 938,20 € vergütet. Mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung hat der Antragsteller an seiner Forderung festgehalten.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 21.04.2020 das Honorar in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin auf 938,20 € festgesetzt und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es hat u.a. ausgeführt, es sei im Rahmen der Plausibilitätsprüfung zunächst der Seitenfaktor der Standardseite zu bestimmen. Bezogen auf die Standardseite mit 2700 Anschlägen ergebe sich ein Faktor von 0,91, der auf 1,0 aufgerundet werde. Für die Aktendurchsicht sei eine Stunde anzusetzen. Inhaltlich und dem Sinn nach sei zu prüfen, ob entsprechende Gutachtensteile kostenerstattungsrechtlich in die eine (Darstellung von Anamnese und Befund) oder andere Kategorie (Beantwortung der Beweisfragen) fielen, unabhängig davon, welche Überschrift der Gutachter in diesem Bereich seines Gutachtens gewählt habe oder wie er sein Gutachten sonst aufbaue. Die Darstellung in den Modulen sei den Darstellungen der Befunde in orthopädischen Gutachten gleichzusetzen. Im Weiteren hat es die von der Kostenbeamtin ermittelte Stundenzahl angesetzt, auch wenn es selbst einen geringeren Zeitaufwand errechnet hat. In Abweichung von der früheren Einschätzung seien Pflegegutachten mit der Honorargruppe M 2 unangemessen hoch vergütet worden. Die meisten Gutachten im Bereich der Unfallversicherung würden nach der Honorargruppe M 2 vergütetet werden, würden aber in vielen Fällen zu Kausalitätsproblemen Stellung nehmen, die medizinisch zu den schwierigen Gutachtensaufgaben zählten, und enthielten oft eine medizinische Verlaufsprognose oder die Einschätzung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit, sowohl rückblickend als auch in die Zukunft. Diese Kriterien würden auf ein Gutachten der Pflegeversicherung im Regelfall nicht zutreffen. Im Wesentlichen bestehe die Gutachtensleistung aus der, allerdings fachlich qualifizierten, Beschreibung eines Zustandes. Vor diesem Hintergrund und dem Vergleich des Pflegegutachtens mit allen anderen Gutachten die vom Sozialgericht eingeholt würden, scheine dem Gericht im Normalfall die Vergütung eines Pflegegutachtens nach der Honorargruppe M 1angemessen. Im Übrigen wird auf die Gründe Teil II verwiesen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Antragsteller zunächst weiterhin eine antragsgemäße Vergütung verlangt und zuletzt zwei zusätzliche Stunden geltend gemacht. Er legt dar, dass im Pflegegutachten eine Trennung in zwei Teile erfolge, nämlich in die pflegerelevante Vorgeschichte (Anamnese) und die vom Gutachter erhobenen Befunde (Allgemeinbefund, Stütz- und Bewegungsapparat, innere Organe, Sinnesorgane, Nervensystem und Psyche) und daran anschließend die Beurteilung des Grades der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten, wozu die Module 1 bis 6 des Begutachtungsinstruments verwendet würden. Die Beantwortung der Beweisfrage drücke sich exakt in der Bewertung der einzelnen Module aus. Er weist weiter u.a. darauf hin, dass niemals nur ein Organ oder Körperteil betrachtet werde und für die korrekte Ermittlung des Pflegegrades immer...