Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung im Vorverfahren. Erfolg des Widerspruchs. Sozialverwaltungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Kosten des Vorverfahrens sind - mangels Erfolgs des Widerspruchs - nicht nach § 63 Abs 1 S 1 SGB 10 zu erstatten, wenn der Widerspruch im Hinblick auf beim BVerfG anhängige Normenkontrollen (Art 100 Abs 1 GG) ruhte und nach Inkrafttreten einer vom BVerfG geforderten Übergangsregelung, die den Widerspruchsführer nicht erfasst, für erledigt erklärt wurde. Denn maßgebend ist für § 63 Abs 1 S 1 SGB 10 allein, ob ohne das Ruhen bei einem üblichen Verlauf des Verwaltungs- und anschließenden Gerichtsverfahrens ein Erfolg zu verzeichnen gewesen wäre.
2. Über den von der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann kein Anspruch auf Ersatz der Kosten im Vorverfahren mit der Begründung hergeleitet werden, der Versicherungsträger hätte den Leistungsbescheid im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Normenkontrollen nur mit einem “Vorbehalt„ erlassen dürfen: Zum einen gibt das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch eine solche Rechtsfolge (Schadenersatz) nicht her, zum anderen hat der Leistungsträger als Teil der Exekutive geltendes Recht “vorbehaltlos„ anzuwenden. Die der Judikative eingeräumte Möglichkeit einer (vorläufigen) Nichtanwendung bei angenommener Verfassungswidrigkeit (Art 100 Abs 1 GG) steht dem Leistungsträger nicht zu.
3. Der Leistungsträger verstößt dementsprechend bei “vorbehaltloser„ Anwendung geltenden Rechts auch nicht gegen das Verbot vorzeitigen Verfahrensabschlusses (Abweichung von LSG München vom 27.6.2006 - L 18 B 1125/07 R und LSG München vom 14.7.2008 - L 18 B 1146/07 R).
4. Grundsätzliche Bedeutung kommt all diesen Fragen nicht zu, weil ihre Beantwortung ohne weiteres anhand des Gesetzes und der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung möglich ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.08.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Erstattung von Kosten im Vorverfahren.
Die am 1941 geborene Klägerin siedelte im Jahre 1990 aus R. nach Deutschland aus. Auf ihren Antrag vom Mai 2002 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 24.7.2002 ab 1.9.2002 Altersrente für Frauen. Das Widerspruchsverfahren, mit dem sich die durch Rentenberater vertretene Klägerin gegen die erfolgte Anwendung des § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) gewandt hatte, ruhte im Hinblick auf - durch Aussetzungsbeschlüsse nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) des Bundessozialgerichtes (BSG) - beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG anhängig gewordene Verfahren.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 13.6.2006 (u.a. 1 BvL 9/00 in SozR 4-5050 § 22 Nr. 5) die Regelung als solche für verfassungsrechtlich unbedenklich und nur eine Übergangsregelung für verfassungsrechtlich erforderlich gehalten und der Gesetzgeber dem entsprechend mit Gesetz vom 20.4.2007 (BGBl. I, Seite 554) in Art. 6 § 4c Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) eine solche Übergangsregelung in Form eines zeitlich gestaffelten Zuschlages eingeführt hatte, die allerdings für die Zeit ab 1.7.2000 und damit für die Klägerin einen solchen Zuschlag ausschließt, rief die Klägerin im Oktober 2007 das Widerspruchverfahren wieder an und erklärte den Widerspruch in der Hauptsache für erledigt.
Den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Kosten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 14.4.2008 ab. Das hiergegen am 8.5.2008 angerufene Sozialgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 21.8.2008 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Weder § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch begründeten das Begehren.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.9.2008 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass ihr im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches - die Beklagte hätte im Rahmen ihres Ermessens einen Vorbehalt in den Rentenbescheid aufnehmen müssen, sie habe gegen das Verbot vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen und sie habe nicht auf die Aussetzungsbeschlüsse des BSG hingewiesen - der in Form von Kosten des Widerspruchsverfahrens entstandene Schaden zu ersetzen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.8.2008 und den Bescheid vom 1.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.4.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren gegen den Rentenbescheid vom 24.7.2002 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist darauf, dass keine Rechtsvorschriften die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvorbehaltes erlauben würde.
Z...