Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Nichterreichen des Wertes des Beschwerdegegenstandes in der Hauptsache. keine entsprechende Anwendung von § 127 Abs 2 S 2 iVm § 511 ZPO und § 172 Abs 3 Nr 1 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfahrensregelungen des § 127 Abs 2 S 2 iVm § 511 ZPO und § 172 Abs 3 Nr 1 SGG sind auf Beschwerden gegen den die Prozesskostenhilfe für eine Klage ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts nicht entsprechend anwendbar.

2. Die Rechtsprechung des Senats zur analogen Anwendung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG auf Prozesskostenhilfebeschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann in derartigen Fällen nicht herangezogen werden.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 10. November 2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Der Beschwerdeausschlussgrund des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGGArbGGÄndG - ≪BGBl. I S. 444≫) greift nicht ein; das Sozialgericht (SG) Freiburg hat die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, sondern allein auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt.

Der Statthaftigkeit der Beschwerde der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass der Wert ihres im Klageverfahren S 2 AS 6036/08 geltend gemachten Begehrens die erforderliche Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (mehr als 750,00 Euro) voraussichtlich nicht erreichen wird. Entgegen einer verbreiteten Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa Landessozialgericht ≪LSG≫ Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - L 8 AS 4968/08 PKH-B - ≪unveröffentlicht≫; Hess. LSG, Beschluss vom 8. Juli 2009 - L 6 AS 174/09 B -; Schlw.-Holst. LSG, Beschluss vom 4. November 2009 - L 9 B 50/09 AS PKH - ≪beide juris≫) kommt eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 511 ZPO nicht in Betracht (so auch Roller, NZS 2009, 252, 258 f.; Burkiczak, NJW 2010, 407, 408 f.); die Heranziehung dieser letztgenannten Verfahrensregelungen war bereits unter dem bis 31. März 2008 geltenden Rechtsmittelrecht des SGG ausgeschlossen (vgl. hierzu eingehend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Januar 2007 - L 13 AS 4100/06 PKH-B - ≪juris≫; zustimmend Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 12b) und bleibt es auch nach der seit 1. April 2008 geltenden neuen Rechtslage. Denn die Rechtsmittelfähigkeit einer vorinstanzlichen Entscheidung bestimmt sich, wie die differenzierten Vorschriften im Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des SGG zeigen, grundsätzlich - soweit nicht ausdrücklich anderes geregelt ist - allein nach diesem Gesetz; dies gilt auch für das Rechtsmittel der Beschwerde, die hinsichtlich ihrer Statthaftigkeit in § 172 SGG eine eigenständige Regelung erfahren hat.

Zwar erachtet der Senat eine entsprechende Heranziehung der die Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten regelnden Vorschriften des § 172 Abs. 2 und Abs. 3 SGG (in der Fassung des SGGArbGGÄndG) über deren ausdrücklichen Wortlaut hinaus in engen Grenzen für geboten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. Juli 2008 - L 7 SO 3120/08 PKH-B - ≪juris≫ und vom 17. November 2008 - L 7 AS 2588/08 PKH-B - NZS 2009, 349 ≪zu § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG≫; Senatsbeschluss vom 27. Januar 2010 - L 7 R 3206/09 B - ≪juris≫ ≪zu § 172 Abs. 2 SGG für die Sachverständigenablehnung≫; ähnlich Burkiczak, a.a.O., 409; zweifelnd Lüdtke in Hk-SGG, 3. Auflage, § 172 Rdnr. 13). Die analoge Anwendung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG auf einen die PKH versagenden Beschluss für ein Verfahren des Eilrechtsschutzes, das mangels Erreichens des erforderlichen Beschwerdewerts aufgrund des Ausschlussgrundes der genannten Verfahrensvorschrift nicht an das LSG gelangen kann (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG im Übrigen Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Beschluss vom 28. September 2009 - 1 BvR 1943/09 - ≪juris≫; ferner Senatsbeschluss vom 15. April 2010 - L 7 SO 1227/10 ER-B - ≪unveröffentlicht≫), hat der Senat damit begründet, dass der Rechtsschutz in einem Nebenverfahren - wie dem über die PKH - grundsätzlich nicht über den Rechtsschutz der Hauptsache hinausgehen darf und in Konsequenz dessen auch vermieden wird, dass die Vorinstanz und das Rechtsmittelgericht in abgeschlossenen Hauptsacheverfahren sowie in mehrstufigen Nebenverfahren zu einander widersprechenden Entscheidungen gelangen (vgl. Beschlüsse vom 29. Juli und 17. November 2008 a.a.O.). Ein solches unerwünschtes Ergebnis (vgl. auch Bundesgerichtshof BGHZ 162, 230) hätte überdies zur Folge, dass sich die Aufgabe des Rechtsmittelgerichts letztlich auf eine “gutachterliche„ Tätigk...

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