rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Aufforderung zur Stellung eines Altersrentenantrags. Recht zum Bezug von Arbeitslosenhilfe. Bescheid über Entzug der Arbeitslosenhilfe. Bescheid ohne aufschiebende Wirkung. Gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit. Keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen. Bindungswirkung des Bewilligungsbescheids. Altersrente niedriger als Arbeitslosenhilfe. Kapitalbildende Lebensversicherung. Vermögen zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Enthält ein die Arbeitslosenhilfe entziehender Bescheid weder ein Datum noch einen Absendevermerk noch eine Rechtsbehelfsbelehrung, kann er innerhalb Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 S. 1 SGG) mit dem Widerspruch angegriffen werden.
2. Bei einer Anfechtungsklage wegen Entziehung von laufenden Leistungen kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, auch wenn die zuvor ergangene Entscheidung der Widerspruchsbehörde keine Aussetzung der sofortigen Vollziehung angeordnet hatte.
3. Ein Bescheid des Arbeitsamts, der lediglich feststellt, dass kein Anspruch mehr auf Arbeitslosenhilfe besteht, der aber weder eine Aufhebung noch eine Zurücknahme der bestandskräftig gewordenen Leistungsbewilligung enthält, und somit die Bindungswirkung des Bewilligungsbescheids missachtet, ist rechtswidrig, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sich nicht geändert haben.
4. Das Arbeitsamt kann den Arbeitslosenhilfe Beziehenden auch dann nicht auffordern, eine Altersrente zu beantragen, wenn dieser zwar einen Anspruch auf abschlagsfreie Rente hat, die zu zahlende Altersrente aber niedriger als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe wäre.
5. Ein Bewilligungsbescheid für Arbeitslosenhilfe kann nicht als von Anfang an rechtswidrig zurückgenommen werden, wenn der Arbeitslose über eine kapitalbildende Lebensversicherung verfügt, wenn eine Verwertung nicht zumutbar ist, weil dieses Vermögen zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist.
Normenkette
6. SGG ÄndG Art. 19 S. 2; SGG § 66 Abs. 2 S. 1, § 86a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, § 86 Abs. 1, 3 S. 1, § 96 Abs. 1, § 97 Abs. 2 S. 1, § 86b Abs. 1 Nr. 2, § 95; SGB X § 39 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 1, § 35 Abs. 1 S. 3, § 45; SGB III § 336a S. 2, § 202 Abs. 1 Sätze 2, 1 1. Hs.; GG Art. 19 Abs. 4; AFG § 134 Abs. 3c Sätze 1-2; AlhiV § 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 3, Abs. 4 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 25.07.2001; Aktenzeichen S 8 AL 2119/01 ER) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Juli 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage wegen der Bescheide vom 4. Juli 2001 und 20. Juli 2001 angeordnet wird.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Beklagten, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (vgl. § 174 Satz 1 1. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (vgl. § 172 Abs. 1 SGG) sowie nach § 173 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Beschwerde ist sachlich aber nicht begründet.
Da am 2. Januar 2002, mithin schon vor der Beschwerdeentscheidung die Neuregelungen des SGG im Zuge des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG ÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I S. 2137) in Kraft getreten sind (vgl. Art. 19 Satz 2 6. SGG ÄndG), diese die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage und das System des einstweiligen Rechtsschutzes in Anlehnung an die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) neu ordnen und mangels einer Übergangsbestimmung und fehlendem Entzug von für die Klägerin vorteilhaften Rechtspositionen nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3 - 1500 § 54 Nr. 37; Bundesverwaltungsgericht [BverwG] Buchholz 310 § 47 Nr. 124) auch das anhängige Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfassen, war dem bei der Tenorierung durch eine Maßgabeentscheidung Rechnung zu tragen.
Vorab zu klären ist, welche wirksamen Bescheide das Arbeitsamt F. (ArbA) erlassen hat, ob diese mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen sind und inwiefern die Klägerin deswegen einstweiligen Rechtsschutz benötigt. Zunächst kann offen bleiben, ob die im Schreiben des ArbA vom 23. April 2001 der Klägerin gegenüber unter Androhung von Rechtsfolgen ausgesprochene Aufforderung innerhalb Monatsfrist einen Altersrentenantrag zu stellen, ein Verwaltungsakt ist (so BSGE 87, 31, 37 f) oder nicht (so noch der Senat im Urteil vom 16. Juni 1998 - L 13 AL 4401/97 -). Handelt es sich um einen Verwaltungsakt, hat diesen die Klägerin angesichts der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung innerhalb Jahresfrist (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG) mit dem Widerspruch angegriffen, weil...