Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausschlussregelungen in § 5 Abs 2 SGB 2 und § 21 S 1 SGB 12 erfassen ua nicht die Leistungen der Eingliederungshilfe (§§ 53 bis 60 SGB 12) und der Hilfe zur Pflege (§§ 61 bis 66 SGB 12).

2. Ein erwerbsfähiger Behinderter, der unterhalb der Schwelle der §§ 14, 15 SGB 11 (Pflegestufe 0) in der Weise der Pflege bedarf, dass er Hilfe zur Führung des Haushalts benötigt, kann hierfür neben dem Arbeitslosengeld II vom Träger der Sozialhilfe Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten einer Haushaltshilfe erhalten. Anspruchsgrundlage hierfür kann § 61 Abs 1 S 2 SGB 12 sein.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Januar 2006 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Hilfe zur Pflege zur Weiterführung des Haushalts im Umfang von wöchentlich drei Stunden zu 21,12 € ab dem 1. Januar 2006 vorläufig bis auf Weiteres, längstens bis zum 30. Juni 2006, zu gewähren.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Antragsteller erhält von der Beigeladenen zur Sicherung seines Lebensunterhalts Arbeitslosengeld II (Alg II). Der Antragsteller ist erwerbsfähig. Ausweislich der gutachterlichen Äußerungen des ärztlichen Dienstes der Beigeladenen vom 9. März 2005 ist beim Antragsteller ein vollschichtiges Leistungsvermögen für eine leichte überwiegend sitzende Tätigkeit gegeben. An gesundheitlichen Beschwerden bestehen beim Antragsteller ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit Folgeschäden im Bereich der Nieren und Beinnerven. Die arteriellen Durchblutungsstörungen im Bereich der Beine führten im Dezember 2003 zu einer Unterschenkelamputation links. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass der Antragsteller aufgrund seiner Beinamputation auf einen Rollstuhl angewiesen ist, da ihm das Tragen der Prothese wegen des bestehenden Diabetes mellitus und der damit verbundenen schlechten Wundheilung nicht möglich ist. Den vom Antragsteller geltend gemachten Hilfebedarf hat das Sozialamt der Stadt B.bis zum 31. Dezember 2004 anerkannt. Das Sozialamt hat dem Antragsteller bis zum 31. Dezember 2004 nicht nur laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt, sondern auch die Kosten einer Haushaltshilfe übernommen.

Nach Inkrafttreten der Regelungen des SGB II und des SGB XII am 1. Januar 2005 hat zunächst der Antragsgegner mit Bescheid vom 28. April 2005 den Antrag des Antragstellers auf Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe mit der Begründung abgelehnt, dass Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für den nach dem SGB II leistungsberechtigten Antragsteller gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen seien. Der vom Antragsteller dagegen erhobene Widerspruch ist noch nicht beschieden. Die danach vom Antragsteller angegangene Beigeladene hat mit Bescheid vom 2. Juni 2005 den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe mit der Begründung abgelehnt, dass diese Kosten nach dem SGB II nicht übernommen werden könnten. Für das Jahr 2005 übernahm eine Stiftung die laufenden Kosten für eine Haushaltshilfe.

II. Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beigeladenen, der das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig und begründet. Zu Unrecht das das SG nicht - wie vom Antragsteller beantragt - den Antragsgegner, sondern die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten für eine Haushaltshilfe in dem vom Antragsteller beantragten Umfang von wöchentlich drei Stunden zu übernehmen.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, da es ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 26ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 37 ff.) und des Weiteren auf der Begründetheitsebene die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoc...

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